. Endlosbeine, Wespentaille, Superbusen: So wurde Lara Croft zur Kultfigur. In der neuen Version des Computerspiels wirkt sie alltagsnäher – und jünger. Und ihre deutsche Stimme ist Nora Tschirner.

Es regnet, es ist dreckig. Wahrscheinlich ist es auch kalt. Und das junge hübsche Mädchen ist eher dünn bekleidet. Doch eine drohende Erkältung ist noch das Geringste, um das sie sich sorgen muss, hier auf dieser einsamen Insel, auf die es sie nach einem Schiffbruch verschlagen hat. Wo überall das Böse lauert und es an jeder Ecke ein Geheimnis zu lösen gibt. Aber damit wird sie fertig. Denn die junge Frau heißt Lara Croft. Seit wenigen Tagen ist sie zurück. So jung wie nie.

Kurz die Hose, knapp das Top, Kampfstiefel, zwei Neun-Millimeter-Pistolen und statt Handtasche einen Mini-Rucksack auf dem Rücken. So streift die Tochter eines englischen Lords zum Jahreswechsel 1996/1997 erstmals durch einen versunkenen Tempel in Peru. Offiziell arbeitet sie als Fotografin, aber in Wirklichkeit ist sie auf der Suche nach unentdeckten Schätzen. „Tomb Raider“ nennt Herstellerfirma Eidos das Spiel: „Grabräuber“.

Lara springt, rennt und klettert, wird von Gegnern angegriffen und muss Rätsel knacken. Ein Mix, der damals neu ist. Über vier Millionen Mal verkauft sich allein der erste Teil. „Wohl nicht zu Unrecht wird ein Teil des Spielerfolgs auf die ausgesprochen erotische, überzeichnet proportionierte Hauptperson Lara Croft zurückgeführt“, stellen Wissenschaftler fest. Spielfachmagazine sagten es treffender. „Lara ist einfach scharf.“ Vielen Spielern ist sie aber nicht scharf genug. Nächtelang hämmern sie auf der Tastatur ihres Computers herum. Denn im Internet kursiert das (falsche) Gerücht, nach dem Drücken einer bestimmten Buchstabenkombination werde sich Frau Croft ihres Hemdes und Höschens entledigen.

Auch Hersteller Eidos ist gerne behilflich, die Fantasien der Spieler zu entfachen. Das Unternehmen engagiert Models, die ähnlich knapp bekleidet sind wie das virtuelle Original und für zehntausende Fotos posieren. „Sexistisch“, jaulen Feministinnen in aller Welt auf. „Stimmt“, sekundieren die Spieler. „Zum Glück.“

So hart und düsterwie noch nie

Aber Laras Eroberung der realen Welt ist nicht mehr zu stoppen. Bald gibt es T-Shirts, Mouse-Pads, Spielzeug-Figuren und lebensgroße Statuen der Action-Heldin. Lara hüpfte durch ein Musikvideo der deutschen Band „Die Ärzte“ und schafft als erste Videospielheldin sogar den erfolgreichen Sprung ins Kino. Die „Tomb Raider“-Filme mit Angelina Jolie spielen knapp 200 Millionen Dollar ein.

Denn Lara wird geliebt. Sie ist ein Idol. Große braune Augen, volle rote Lippen und eine Oberweite, die das Hemdchen überdehnt. In Deutschland ist der „sexiest Pixel im Cyberspace“ laut einer Umfrage bei mehr als 90 Prozent der Bevölkerung bekannt. „Time Digital“ zählte Lara zu den 50 wichtigsten Personen des digitalen Zeitalters. Ein anderes Magazin wählt sie damals zur „Sexiest Women of the Year“. Die Agentur Elite schließt mit ihr einen Modelvertrag. Givenchy-Designer Alexander McQueen schneidert ihr ein Kleid. Auf weltweit mehr als 400 Titelblättern prangte ihr Konterfei – von Millionen Postern, Kaffeetassen oder T-Shirts ganz zu schweigen. Dass die Fortsetzungen des ersten Teils unterdessen immer schlechter werden, geht in dem ganzen Trubel fast unter. Bis irgendwann im neuen Jahrtausend ähnliche Spiele nicht nur aufschließen, sondern vorbeiziehen. Und irgendwann will niemand mehr Gräber ausrauben.

Das soll sich nun ändern. Das neue Abenteuer ist zeitlich weit vor dem ersten Teil angesiedelt. Deshalb ist die Titelheldin auch noch so jung und ängstlich. Letzteres geht schnell vorbei. Vielleicht sogar ein wenig zu schnell. Denn das neue Tomb Raider ist das dunkelste und härteste der Reihe. Deshalb ist es auch erst freigegeben ab 18 Jahre.

Wer so alt ist, bekommt ein gutes Spiel. Eines, das an „Uncharted“ erinnert, eines der erfolgreichsten Abenteuer-Spiele der vergangenen Jahre. Tomb Raider bietet eine tolle Grafik und durchdachte Level. Aber Spielraum für sexuelle Fantasien bietet Fräulein Croft nicht mehr. Ihre Hose hat jetzt Beine, das Top geht über den Bauchnabel, die Oberweite ist realistisch. Nora Tschirner, die die Titelheldin für die deutsche Version des Spiels synchronisiert hat, begrüßt das sehr, wie sie in einem Interview gesagt hat, denn: „Brüste spreche ich nicht.“

Es hätte ja auch viel schlimmer kommen können als mit einer verjüngten Lara. Ursprünglich, heißt es, hatten die Entwickler in den 1990er-Jahren einen ganz anderen Titelhelden für Tomb Raider im Kopf. Einen dicken Mann mit Bauch.