Moskau. . Seit Wochen hagelt es in Russland Plagiatsvorwürfe und entzogene Doktortitel. Vergangene Woche entließ das elitäre Moskauer Staatsinstitut für Internationale Beziehungen einen Dozenten, der mit einem fiktiven Harvard-Doktor protzte.

Moskau guttenbergt. Seit Wochen hagelt es Plagiatsvorwürfe und entzogene Doktortitel. Auch wenn kein russischer Verteidigungsminister wegen einer getürkten Dissertation zurücktritt, der akademische Betrieb knirscht. Vergangene Woche entließ das elitäre Moskauer Staatsinstitut für Internationale Beziehungen einen Dozenten, der mit einem fiktiven Harvard-Doktor protzte.

Wer im Suchsystem „yandex.ru“ das Wort „dissertacija“ eingibt, stößt sofort auf einschlägige Websites, die mit Ramschpreisen werben: „Sonderangebot bis zum 2. März: Doktorarbeit + 4 wissenschaftliche Artikel = 60 000 Rubel (umgerechnet etwa 1500 Euro)…“ Aber nicht nur Ghostwriter, die Dissertationen zusammenschustern, kassieren ab. Auch viele der 3200 Professorenräte drücken nach Ansicht von Experten für Geld beide Augen zu. „Ich habe 2003 in einer Moskauer Bibliothek 18 Doktorarbeiten über die Abschaffung der Leibeigenschaft gesehen, deren Hauptteile aus identischen Fotokopien bestanden“, sagt der Historiker Jewgeni Ponasjenkow. Die Misere sei auf postsowjetische Titelwut zurückzuführen. Zu Sowjetzeiten wäre es praktisch unmöglich gewesen, ohne Doktorwürde Betriebsleiter zu werden, nach dem Zerfall der Sowjetunion sei es Mode geworden, Namen und Titel alter Adelsgeschlechter zu kaufen.

Von 29 Kabinettsmitgliedern sind zehn Professoren und zwölf Doktoren, auch Präsident Putin ist promoviert. Ein US-Wirtschaftswissenschaftler warf ihm 2006 vor, er habe 16 von 20 Seiten eines zentralen Kapitels aus einem US-Buch abgeschrieben. Aber Russlands Promi-Akademiker haben bessere Nerven als Guttenberg und Co. Kürzlich beantragte ein Oppositionspolitiker bei der Staatsanwaltschaft, die Doktorarbeit des Nationalpopulisten Wladimir Schirinowski auf ihre Echtheit zu prüfen. Der konterte mit einer Verleumdungsanzeige.