Hamburg. . Deutschlands erfolgreichster Kino-Star, Til Schweiger, hat Action versprochen. Und genau das bietet der erste „Tatort“ mit Schweiger. Er mimt einen hartgesottenen LKA-Mann, der den Kiez aufmischt - und Schimanski lässt grüßen. Diesen Sonntag ist Premiere in der ARD.

Til Schweiger hat schon Fernsehgeschichte geschrieben, bevor sein erster Fall als LKA-Bulle Nick Tschiller ausgestrahlt wird. Dem NDR war Deutschlands erfolgreichster Kino-Star nicht nur lieb, sondern vor allem auch teuer. Schweigers Premierenfolge „Willkommen in Hamburg“ kostete dem Vernehmen nach rund zwei Millionen Euro – „Tatort“-Rekord. Ist der Krimi das wert?

Til Schweiger mimt mit Null-Mimik und Nuschel-Stimme einen geschiedenen Bullen mit dem bescheuerten Namen Nick Tschiller, der vom SEK in Frankfurt (er sagt manchmal „gell“) zum LKA nach Hamburg versetzt wird. Im Job geht er notgedrungen, aber buchstäblich über Leichen - daheim sorgt er sich als alleinerziehender Vater rührend um sein pubertierendes Töchterlein (Luna Schweiger). Als Macho kann er natürlich kein weiches Ei kochen. Die Comic-Figur Tschiller huldigt den altmodischen Idealen eines ausgekochten Kerls, flinke Fäuste, flinke Beine, jeder Schuss ist ein Treffer, Schrammen gehören zum Geschäft, aber sein Heim gleicht einer Rumpelkammer. Schimanski grüßt von Ferne.

Tschiller leidet an schwerer Hierarchie-Allergie

Im Dienst leidet Tschiller an schwerer Hierarchie-Allergie; er kann nur Zweierteam. Er ist hart, sein Kollege smart. Logisch, der Partner muss seinen Gegenpart geben. Schweiger-Kumpel Fahri Yardim verkörpert, im Gegensatz etwa zum „Tatort“ in Kiel, einen glaubhaften Computer-Experten namens Yalcin Gümer. Seine Hackerkünste retten immer wieder aufs Neue den schlagfertigen Kollegen aus höchster Not.

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Höchste Not heißt bei einem Kommerzkino-Star wie Schweiger: Störende Dialoge werden über weite Strecken gnadenlos durch knallige Action ersetzt, konsequenterweise von Anfang an. Leichen pflastern seinen Weg. Körperbetontes Fernsehen in Tateinheit mit Pyrotechnik satt appelliert an ein Jungmänner-Publikum, das Testosteron ausdünstet.

Ein schlichter Gut-Böse-Fall

Dazu passt ein schlichter Gut-Böse-Fall, der Männer-Phantasien aufs Schönste bedient. Eine – logisch – türkische Gang beutet – ebenfalls logisch – blutjunge, bildhübsche Prostituierte aus dem Osten aus. Die Luden schüchtern Zeugen ein, Tschillers ehemaliger Polizei-Partner Brenner (als sanfter Schurke eine Christoph-Waltz-Kopie: Mark Waschke) hilft ihnen dabei. Mit diesem Kunstgriff schrammen Schweiger und seine Handlanger – Regisseur Christian Alvart und Drehbuch-Autor Christoph Darnstädt – haarscharf an allerschlimmsten Klischees vorbei. Dazu kommt Gott sei Dank auch, dass mit Tschiller-Partner Gümer und Edita Malovcic als Staatsanwältin zwei Gute mit offensichtlich ausländischen Wurzeln dabei sind.

Die Vertreterin der Anklage ist die einzige Figur in der Geschichte, die über Tschillers Neigung zu bleihaltiger Konfliktlösung nachdenkt. Und dennoch wirkt der Dialog mit Tschiller über seine Motive und, mehr noch, über seine Gefühle wie ein pflichtgemäßes Tribut der „Tatort“-Macher an den Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, das derlei Treiben eigentlich ablehnt.

Erstaunlicherweise funktioniert der Popcorn-Krimi

Dass der Popcorn-Krimi allen Einwänden zum Trotz funktioniert, ist auch Regisseur Alvarts Gefühl für Rhythmus-Wechsel zu verdanken. Ruhige Szenen – vor allem mit Vater und Tochter – lassen das Publikum durchatmen. Kurz: Der Schweiger-Kommissar bietet leichte Unterhaltung als kleine Flucht aus dem Alltag.

Genau das leistet allerdings schon jetzt schon ein Duo aus Münster zum „Tatort“-üblichen Kurs von rund 1,3 Millionen Euro pro Folge. Obendrein haben die Herren Thiel und Boerne (Axel Prahl und Jan Josef Liefers) einen Zuspruch wie sonst nur die Fußball-Nationalelf. Bei dem Aufwand, den Schweiger getrieben hat, muss er das Ergebnis toppen.