Washington. . Ein geistig behinderter Doppelmörder im US-Bundesstaat Georgia bleibt bis auf weiteres von seiner Hinrichtung verschont. Warren Hill, der Mitte der 80er Jahre seine Lebensgefährtin Myra Wright erschoss und später im Gefängnis seinen Mithäftling Joseph Handspike erschlug, hat einen Intelligenzquotienten von 70. Geistig Behinderte dürfen in Amerika nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofes aus dem Jahr 2002 nicht hingerichtet werden.

Warren Hill hatte am Dienstagabend die Henkersmahlzeit - Makkaroni mit Käse, Bohnen, Gemüse, Maisbrot, Kekse und Eistee - ausgeschlagen und bereits das Beruhigungsmittel verabreicht bekommen, das in amerikanischen Gefängnissen kurz vor der Hinrichtung gegeben wird. 30 Minuten später sollte dem Afro-Amerikaner im Staatsgefängnis von Jackson die Giftspritze mit der tödlichen Dosis Phentobarbital gesetzt werden. Gegen 18.30 Uhr klingelte das Telefon im Direktoren-Büro der Justizvollzugsanstalt im US-Bundesstaat Georgia. Der Anruf rettete Hill das Leben. Bis auf weiteres. Zwei Berufungsgerichte hatten dem internationalen Drängen auf Aussetzen der Exekution des 53-Jährigen stattgegeben. Wieder einmal.

Nach Berichten der Zeitung "Atlanta Journal-Constitution" hatten die Juristen Rosemary Barkett und Stanley Marcus entschieden, dass neu überprüft werden muss, was Hills Anwalt Brian Kammer seit langem unentwegt zum Thema macht: Warren Hill, der Mitte der 80er Jahre seine Lebensgefährtin Myra Wright erschoss und später im Gefängnis seinen Mithäftling Joseph Handspike bestialisch im Schlaf erschlug, hat ausweislich mehrerer Untersuchungen während seiner seit 20 Jahren währenden Haft einen Intelligenzquotienten von 70. Als normal gilt ein Wert zwischen 85 und 115.

Geistig Behinderte dürfen in den USA nicht hingerichtet werden

Geistig Behinderte dürfen in Amerika nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofes aus dem Jahr 2002 nicht hingerichtet werden. Weil der Richterspruch aus Washington den Bundesstaaten die Auslegung des Begriffs "geistig behindert" überließ, konnte sich in Georgia die Auffassung durchsetzen, dass Hill als zurechnungsfähig für seine Taten anzusehen ist. Jedenfalls solange eine Behinderung nicht "ohne jeden Zweifel" zwingend unterstellt werden muss.

Warren Lee Hill ist seit 20 Jahren in Haft. Er hatte seine Freundin erschossen und später einen Mitgefangenen getötet.
Warren Lee Hill ist seit 20 Jahren in Haft. Er hatte seine Freundin erschossen und später einen Mitgefangenen getötet. © afp

Das oberste Gericht des Süd-Staates hatte noch am Dienstag mit 5 zu 2 Stimmen grünes Licht für die Hinrichtung gegeben. Sämtliche Bitten auf Begnadigung, darunter die des früheren US-Präsidenten Jimmy Carter und seiner Frau Rosalyn, der Menschenrechts-organisation Amnesty International, der Europäischen Union und der Angehörigen von Hills Opfern, waren zuvor von den zuständigen Instanzen ausgeschlagen worden. Eine Haltung, die landesweit für Stirnrunzeln sorgte.

Zum einen hatte Georgia bereits im September 2011 weltweit für Kritik gesorgt, als in eben jenem Staatsgefängnis von Jackson der damals wegen Polizisten-Mordes verurteilte 42-jährige Troy Davis hingerichtet worden war - obwohl die Tatwaffe nie gefunden wurde, es keinerlei DNA-Spuren oder Fingerabdrücke gab und sieben von neun Belastungszeugen ihre ursprünglichen Aussagen zurückgezogen hatten. Dazu ist die Exekutionsmethode umstritten. Anstatt drei Substanzen wird in Georgia seit Mitte 2012 auch aus Ersparnisgründen nur noch ein Mittel gespritzt. Hills Anwälte monierten das, forderten eine Überprüfung - und bekamen Recht.

Auch interessant

Zum anderen war es just der Bundesstaat Georgia, der nach der Empörung über die Hinrichtung von Jerome Bowden 1988 weiteren Exekutionen geistig Behinderter einen Riegel vorgeschoben hatte; lange bevor der Supreme Court in Washington nachzog und das Töten von geistig Behinderten als "grausam" verwarf. Bowden hatte laut Gutachtern den Intellekt eines Zehnährigen. Auch Hill soll ausweislich von Protokollen der Sozialbehörden Georgias auf dem Niveau eines Grundschülers stehengeblieben sein.

UN-Sonderbotschafter warnte vor "grotesker Ungerechtigkeit"

In seinem Fall kam hinzu, dass drei von neun Ärzten, die den Todeskandidaten vor zwölf Jahren umfassend untersucht hatten, ihr damaliges Urteil nachträglich komplett revidierten - und heute auf nicht schuldfähig plädierten. Die Staatsanwaltschaft, die Hill für einen Schauspieler hält und hingerichtet sehen will, warf den Experten "Unaufrichtigkeit" vor.

Der Fall wurde von den Vereinten Nationen bis zuletzt aufmerksam verfolgt. UN-Sonderbotschafter Christof Heyns hatte in den vergangenen Tagen massiv vor einer "grotesken Ungerechtigkeit" gewarnt, sollte das Urteil vollstreckt werden. Ob der Aufschub der Hinrichtung diesmal endgültig ist und Hill bis an sein Lebensende in psychiatrisch gesicherter Haft bleibt, ist offen. Bereits im vergangenen Juli war Hills Gang in die Exekutionskammer abgesagt worden. Damals 90 Minuten vor der Giftspritze. Einen dritten Aufschub, so der Justiz-Experte vom "Atlanta Journal-Constitution", wird es "wahrscheinlich nicht geben."