Moskau. Russlands Staatsduma will die Mitnahme von Alkohol aus Duty-Free-Läden ins Flugzeug verbieten. Als Begründung verweisen die Politiker auf die häufigen Übergriffe durch Betrunkene an Bord. Der Vorschlag würde faktisch ein Verkaufsverbot für Alkohol in Duty-Free-Geschäften bedeuten

In russischen Flugzeugen fliegen immer häufiger die Fäuste - weil Passagiere zu tief ins Glas schauten. Sogar Verletzte gab es schon. Jetzt will der Vizechef des verkehrspolitischen Ausschusses Witali Jefimow die Mitnahme von Alkohol aus Duty-Free-Läden an Bord der Maschinen verbieten. Ein entsprechender Gesetzentwurf werde schon in diesem Frühjahr dem russischen Parlament vorgelegt. Jefimow ist entschlossen, obwohl die Rechtslage kompliziert ist und neben dem Luftfahrtkodex auch das Zivil- und Strafgesetzbuch der Russischen Föderation geändert werden muss. Aber er hat gute Gründe.

Randale an Bord

Anlass für die drakonische Maßnahme sind immer häufigere Übergriffe betrunkener Fluggäste. Erst vor wenigen Tagen musste eine Maschine auf dem Flug von Moskau nach Thailand in Taschkent zwischenlanden, um einen Randalierer an die usbekische Polizei loszuwerden. Ein 28-jähriger aus Podolsk nahe Moskau hatte mehrere Mitreisende angegriffen. Einige brauchten danach einen Arzt.

Ende Januar hatte ein Mann auf dem Flug nach Ägypten einen Flugbegleiter beschimpft und verletzt. Der Mann behauptete, er sei Agent des Armeegeheimdienstes GRU und werde "alle umlegen". Einem Passagier brach er die Nase. Unruhige Minuten bereitete ein Trunkenbold den Passagieren einer aus Ägypten kommenden Maschine bei der Landung in Kasan. Der nervöse Pilot streifte mit dem Heck einen Funkmast. Die Maschine wurde beschädigt, konnte aber landen.

Der Vorschlag des Verkehrsausschusses würde faktisch ein Verkaufsverbot für Alkohol in Duty-Free-Geschäften bedeuten. Bei einer Debatte in der Staatsduma äußerten Abgeordnete aber erhebliche Zweifel, wie effektiv die Maßnahme ist. Schließlich könnten zwar russische Flughäfen den Spirituosenverkauf verbieten - was sich im Ausland abspielt, entzieht sich aber der Kontrolle Moskaus.

Fußgänger müssen zur Blutprobe

Auch anderenorts macht der Staat Front gegen Alkoholmissbrauch: Das russische Innenministerium veröffentlichte einen Gesetzentwurf, der der Polizei erlaubt, neben Autofahrern auch Fußgänger zwangsweise Alkoholtests zu unterziehen. Wer sich weigert, kassiert im Protokoll den Eintrag "Volltrunkenheit". Menschenrechtler befürchten nicht ohne Grund die Möglichkeit von Missbrauch. Zudem gibt es bereits jetzt ein Gesetz, wonach das "Erscheinen in der Öffentlichkeit in einem die Moral beleidigenden Rauschzustand" verboten ist.

Vor zwei Wochen schlug der für Drogen und Alkohol zuständige Chefarzt des russischen Gesundheitsministeriums Jewgeni Brün vor, keinen harten Alkohol mehr an Personen unter 21 Jahren zu verkaufen. Unter den Russen regt sich allerdings erheblicher Widerstand. Ab 18 dürfe geheiratet werden und mit 19 werde man Soldat, ist in Moskau zu hören. Aber Alkohol trinken dürfe man erst mit 21.

Schon frühere Versuche, den Alkoholkonsum der Russen einzudämmen, stießen auf massiven Argwohn. Eine Anti-Alkohol-Kampagne des sowjetischen Regierungschef Michail Gorbatschow brachte ihm den Spottnamen "Mineralsekretär" ein. Und am Ende stand sein Sturz. (dapd)