Washington. .

Iain Clark wollte nie, dass seine Mutter in den Himmel kommt. Nicht so. „Ich vermisse dich, Mama. Ich will mit dir in meiner Burg kuscheln. Komm schnell nach Hause. Ich vermisse dich Millionen und Millionen Mal. Mehr als alle Sterne des Universums. Ich vermisse dich so sehr, dass ich gestern Nacht geweint habe.“ Die E-Mail, die sein damals achtjähriger Sohn in die Raumfähre Columbia schickte, zusammen mit einem Foto von Hamster Tim und Hund Addie, wird Jonathan Clark nie vergessen.

„Er war dagegen, dass sie fliegt“

„Er hatte Angst um sie, er war von Anfang an dagegen, dass sie fliegt“, sagte der 59-Jährige gestern im Gespräch mit dieser Zeitung. „Aber es war genau das, was sie liebte und ich würde sie wieder gehen lassen, wenn ich könnte.“ Laurel Clark (41) war für physikalische Experimente zuständig an Bord der Columbia. Heute vor zehn Jahren, exakt 16 Minuten vor der geplanten Landung, verglühte die US-Raumfähre beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre wegen eines kaputten Hitzeschildes.

Bodencrew übersah Alarmsignale

Alle sieben Crew-Mitglieder starben. Jonathan Clark, damals Mediziner bei der US-Raumfahrtbehörde Nasa, wählte einen besonderen Weg, um mit dem Tod seiner Frau halbwegs fertig zu werden. „Ich habe mir geschworen, jene zu widerlegen, die damals sagten, jede Hilfe wäre zwecklos gewesen.“

Rückblick: Die Space-Shuttle-Mission STC-107 war bereits beim Start verflucht. Weil ein aktenkoffergroßer Teil der Schaumstoff-Isolierung eines Tanks abgebrochen war, den linken Vorderflügel beschädigt hatte und die Bodencrew die Alarmsignale übersah, stand der Rückflug unter ungünstigstem Stern. Mit rund 28 000 Stundenkilometer tauchte der Raumgleiter in die Erdatmosphäre ein. Die Luftreibung ließ den Hitzeschild erglühen, Plasma-Zungen schlugen bis zu den Cockpitfenstern hoch, fraßen ein Loch in die Aluminiumhaut. Um 8.59 Uhr funkte Pilot Rick Husband am 1. Februar 2003 ein letztes Signal zur Bodenstation nach Houston. Dann brach der Kontakt ab. In einem fast 3000 Quadratkilometer großen Gebiet von Kalifornien bis Louisiana verteilten sich die Überreste der Raumfähre und ihrer Besatzung.

Während sich viele Angehörige der Opfer zurückziehen in ihrem Schmerz, geht Clark dahin, wo es am meisten wehtut. Er meldet sich für die Untersuchungskommission. Fünf Jahre lang Tag für Tag Detail-Rekonstruktion, bis 2008 der 800-seitige Bericht vorliegt; voll mit Nachweisen von Versagen und Wegsehen. Clark kennt das Was-wäre-wenn-gewesen-Dilemma. Trotzdem sagt er: „Hätte man das Loch im Flügel provisorisch stopfen können, wäre die Columbia langsamer Richtung Erde gekommen. Und wären optimale Sicherheitsanzüge vorhanden gewesen – ein Rettungssprung mit dem Fallschirm hätte vielleicht Leben retten können.“ Seine wissenschaftliche Kärrnerarbeit, „für mich war es Therapie“, half Iain bei der Trauerbewältigung nicht. Vater und Sohn wurde die Nähe zu viel. „Irgendwann wollte er nicht mehr auf mich hören“, sagt Clark. Heute ist der 18-Jährige in einem Internat in Arizona. Iain Clark will später mal in die andere Richtung. Meeres-Biologie. Eine Reminiszenz. Seine Mutter war vor der Raumfahrt Ärztin auf U-Booten der Marine.

Jonathan Clark hat die Nasa 2008 mit professionell abgekühltem Zorn verlassen. Nach der Challenger-Katastrophe 1986 und Columbia bestand für den heute an der Baylor-Universität unterrichtenden Mediziner kein Zweifel mehr: „Die Nasa muss ihre Kultur ändern. Die Überlebenschancen von Astronauten haben ganz oben zu stehen.“ Der Plan des Österreichers Felix Baumgartner, der im Oktober 2012 als erster Mensch einen Fallschirmsprung aus der Stratosphäre wagte, beschäftigte den Wissenschaftler seit den Anfängen 2008. Als Arzt des Stratos-Teams hat Clark zum Nachweis beigetragen, dass Sprünge aus Höhen von fast 40 Kilometern mit geeignetem Material überlebt werden können. „Baumgartner war für mich der Versuch, etwas Gutes aus einer Katastrophe zu ziehen.“