Wuppertal. Der große Mann des politischen Kabaretts kehrt zurück ins TV: Ab März will der 85-Jährige seine riesige Fangemeinde zwei Mal im Monat per Fernsehen unterhalten. Im Internet. Dazu hat er mit Freunden den „Störsender“ gegründet - und mit Crowdfunding finanziert.

Die Bühne reicht Dieter Hildebrandt nicht aus. Den 85-jährigen Kabarettisten zieht es wieder vor die Kamera. Ab März will er seine Fangemeinde per Fernsehen unterhalten. Im Internet.

Hält Zorn jung?

Dieter Hildebrandt: Wahrscheinlich setzt er Adrenalin frei. Das ist genauso gut wie Freude. Das lässt einen auf eine Bühne springen.

Aber irgendwie reichen 130 Auftritte im Jahr nicht. Schließlich drohen Sie jetzt mit einem „Störsender“. Womit beglücken Sie uns da?

Hildebrandt: Ich hoffe, dass ich Sie beglücken kann. Aber eigentlich will ich Sie ja stören.

Womit?

Hildebrandt: Wir sind eine Gruppe sehr interessierter Menschen. Altersmäßig sehr gemischt. Der sehr bekannte Karikaturist Dieter Hanitzsch und sein Sohn Stefan kamen auf die Idee. Stefan ist ein sehr junger Mann, 31 Jahre alt, politisch hoch interessiert und technisch begabt. Er kennt sich in allen Medien aus.

Jetzt versuchen Sie, Meinungsbildung via Internet zu transportieren?

Hildebrandt: Die Frage für uns lautete: Warum soll man immer vor sich hinmurmeln und meckern. Warum kann man Inhalte nicht, wenn man sie besser formuliert als normal, einem größeren Publikum zumuten, das zu hören.

Sie liefen Ihr Störfeuer ohne Bezahlschranke?

Hildebrandt: Wir haben eine neue Form der Finanzierung versucht, das sogenannte Crowdfunding (Schwarmfinanzierung, Anm. d. Red.). Und jetzt, drei Wochen vor dem Stichtag, haben wir es geschafft. Haben die nötigen 125.000 Euro eingesammelt.

Wie viele Menschen haben sich beteiligt?

Hildebrandt: Das sind Tausende gewesen. Da hat keiner 50.000 Euro überwiesen. Das waren immer kleine Beträge. Ich bin begeistert.

Ist ihr „Störsender“ auch eine späte Abrechnung mit dem Fernsehen?

Hildebrandt: Überhaupt nicht. Das Fernsehen hat mich machen lassen. Mitunter hat es mich gestört. Aber das gehört irgendwie dazu. Ich habe manchmal auch ein bisschen um meine Texte gekämpft. Die einen nicht durchgekriegt, die anderen schon. Das Spiel hat Spaß gemacht. Sonst hätte ich den „Scheibenwischer“ ja nicht 23 Jahre gemacht.

Aber 2003 war Schluss.

Hildebrandt: Damals habe ich gesagt: Jetzt schaut das nicht mehr so gut aus, wenn man mich anschaut im Fernsehen. Mein Äußeres ist nicht unbedingt vorzeigbar und die Kameramänner sind manchmal ungnädig. Da hab’ ich gesagt: Jetzt tret’ ich ab, bevor die Leute merken, dass ich vergreise.

Jetzt kehren Sie vor die Kamera zurück. Sind Sie uneitler geworden?

Hildebrandt: Nein, aber das macht ja mein Freund Stefan Hanitzsch. Der fotografiert mich schon etwas besser.

Heißt das, die Visagisten früher haben Sie nicht gemocht?

Hildebrandt: Nein, aber sie mussten mich immer schminken, weil ich sonst geglänzt habe. Schminke überdeckt, was das Gesicht ausmacht. Man wirkt ein bisschen maskiert.

Ab März sehen wir einen Dieter Hildebrandt ungeschminkt mit unzensiertem politischen Kabarett?

Hildebrandt: Nein, es ist nicht nur politisches Kabarett. Wir haben Information, wir haben sachlich argumentierende Menschen, wir haben einen Wissenschaftler und Philosophen dabei, wir haben Musik und Kabarett. Das ist die Sparte, die zu mir passt. Ich bin nur ein Teil derer, die dort auftreten.

Wer folgt denn Ihrem Stör-Aufruf?

Hildebrandt: Meine Freunde haben alle zugesagt, die kommen alle vorbei. Georg Schramm, Roger Willemsen, Sandra Kreisler, Ottfried Fischer, Urban Priol und Konstantin Wecker, um nur einige zu nennen.

Macht es mehr Spaß, kollektiv in einer Mannschaft zu motzen als einsam auf einer Bühne?

Hildebrandt: Natürlich. Mit einer Mannschaft habe ich ja auch angefangen, und die meiste Zeit meines Berufslebens habe ich in einem Team gearbeitet. Ich suche mir meine Ensembles, weil das Freude macht.