Pola Kinski wirft ihrem Vater vor, sie fast 15 Jahre lang vergewaltigt und zu haben. In einem Buch rechnet die heute 60-Jährige mit dem Schauspieler ab. Auch Kinskis Tochter Nastassja hat ähnliches berichtet: “Gut, dass manche Menschen nicht noch länger auf der Welt sind.“

Das Klischee von Genie und Wahnsinn, es schien wie gemacht für den Mann mit dem irren Blick: Klaus Kinski, für immer Nosferatu und Fitzcarraldo, ist als exzentrischer Wüterich von hohen schauspielerischen Gnaden und brillanter Selbstvermarkter auch mehr als zwei Jahrzehnte nach seinem Tod im kollektiven deutschen Gedächtnis verewigt. Ein Mythos, den seine ältere Tochter Pola jetzt in seine Bestandteile zerlegt: Kinski soll sie fast 15 Jahre lang sexuell missbraucht haben. Bis sie 19 war.

„Er hat sich über alles hinweggesetzt. Auch darüber, dass ich mich oft gewehrt habe und gesagt habe: ,Ich will nicht.’ Das war ihm egal. Er hat sich einfach genommen, was er wollte“. Das hat die heute 60-jährige Schauspielerin dem „Stern“ in einem aktuellen Interview erzählt.

Auch Nastassja rechnete mit ihrem Vater ab

Ihre Halbschwester Nastassja (52) hatte bereits vor drei Jahren in einem Gespräch mit der Zeitschrift „Park Avenue“ mit dem Vater brutal abgerechnet, ohne ins Detail zu gehen: „Er hat uns so wehgetan. Gut, dass manche Menschen nicht noch länger auf der Welt sind.“

Pola Kinski, Tochter aus Kinskis erster Ehe mit der Sängerin Gislinde Kühlbeck, hat die Schrecken ihrer Kindheit in dem Buch „Kindermund“ verarbeitet, das der Suhrkamp-Verlag am 21. Januar veröffentlicht. „Erst habe ich lange geschwiegen, weil er mir verboten hatte, darüber zu sprechen“, sagte sie dem „Stern“. „Das Infame war, dass er sagte, das sei ganz natürlich. Überall auf der Welt würden Väter das mit ihren Töchtern machen. Nur in diesem spießigen Deutschland sei das nicht normal.“

Er habe sie angebrüllt, gegen die Wand geworfen, vergewaltigt. „Er leistete sich ein kleines Sexualobjekt, das er auf Seidenkissen bettete“, erinnert sich Pola Kinski heute. Das Gefühl von Angst vor den Ausbrüchen ihres Vaters habe sie als Kind und Jugendliche stets beschlichen. Und trotzdem habe sie sich auch zu ihm hingezogen gefühlt, weil sie sich von ihrer Mutter nicht mehr geliebt fühlte. „Sie hatte wieder geheiratet, und ich fühlte mich störend“, erinnert sie sich.

Als Schauspieler habe sie ihren Vater nicht ertragen können, verrät sie: „Wenn ich ihn in Filmen gesehen habe, fand ich immer, dass er genauso ist wie zu Hause.“ Sie selbst zog sich nach frühen Theater- und Fernseherfolgen alsbald vom Beruf zurück.

Höllische Auftritte in Talkrunden

Klaus Kinski, sagt sie heute, habe „eigentlich alle Menschen missbraucht“. Er habe andere nie respektiert, weder ihre Meinungen noch ihre Ideen.“ Zudem sei er voller Komplexe gewesen, „ein unsicheres Würstchen. Bei Interviews fuhr er den Journalisten von Anfang an über den Mund, um ihnen die Möglichkeit zu nehmen, unbequeme Fragen zu stellen. Er konnte unglaublich gut bluffen. Er war nicht besonders klug“, behauptet sie. Seine höllischen Auftritte samt Beschimpfungsorgien in Talkrunden sind unvergessen. Auch wie er 1985 die damals noch etwas unbedarfte Fragerin Desirée Nosbusch vor laufender Kamera einfach mal ins Gras zerrte.

Pola Kinskis Einlassungen lassen den spielerischen Irrsinn ihres Vaters in einem neuen Licht erscheinen. Schließlich hat man sich als Zuschauer über seine Eskapaden in aller Regel amüsiert. Sie habe das Buch eben auch geschrieben, um sich gegen die allgegenwärtige Vergötterung Kinskis zu wenden, sagte sie dem „Stern“. „Ich konnte es nicht mehr hören: ‘Dein Vater! Toll! Genie! Ich habe ihn immer gern gemocht!’“

Sie wird es nun seltener hören.