Berlin. . Die Politik wirbt für die Altersvorsorge per Betriebsrente. Die SPD will Betriebsrenten künftig sogar in den Mittelpunkt der Privatvorsorge rücken. Die Versicherungswirtschaft wirbt ebenfalls. Doch lohnt sich diese Art der Vorsorge überhaupt? Experten erklären, was Sie jetzt wissen müssen.

Nach Riester-Verträgen geraten nun auch Betriebsrenten in die Kritik. So rechnete der Bamberger Arbeitsrechtler Ulrich-Arthur Birk kürzlich vor, dass eine betriebliche Altersvorsorge Arbeitnehmern mit einem Bruttoeinkommen von 3000 bis 4000 Euro im Monat weniger Geld einbringe als ein Festgeldkonto bei der Bank. Und das trotz staatlicher Förderung. Die Versicherten sind verunsichert. Steht der Bundesregierung nach der Debatte um die Riester-Rente der nächste Schiffbruch bei der politisch gewollten Privatvorsorge ins Haus?

Birk kommt in seiner Modellrechnung jedenfalls zu dem Schluss, dass Betriebsrenten für viele Arbeitnehmer „in der Regel nicht rentabel“ seien. Gemeint sind vor allem Beschäftigte, die gesetzlich krankenversichert sind, nach 2004 eine Betriebsrente unterschrieben haben und von ihrem Arbeitgeber keinen Zuschuss bekommen. Hintergrund: Seit 2005 bedient sich das Finanzamt auch bei Betriebsrenten.

SPD will Betriebsrenten in den Mittelpunkt der Privatvorsorge rücken

Die Steuer auf Alterseinkünfte steigt bis 2040 schrittweise an. Das schmälert die Rendite. Zudem greift bei gesetzlich Versicherten die Kranken- und Pflegeversicherung im Ruhestand zu. Und schließlich fällt durch die Befreiung von Sozialabgaben während der Ansparphase auch die gesetzliche Rente im Alter kleiner aus, wenn man auf eine Betriebsrente spart.

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Das alles hat der Leiter des Instituts für betriebliche Altersversorgung in Bamberg berücksichtigt — und Birk kommt zu dem Schluss, dass die Betriebsrente für viele Arbeitnehmer ein echter „Rendite-Schwindel“ sei. Hat er recht? Oder hat er sich verrechnet? Das Bundesarbeitsministerium meint letzteres. Dort spricht man von „unrealistischen“ Annahmen in Birks Modell.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GdV) stößt ins gleiche Horn. Darüber muss man sich indes nicht wundern. Beide Stellen haben ein Interesse daran, dass nach der Riester-Vorsorge nicht auch noch die staatlich geförderte Betriebsrente in Verruf gerät. Die SPD will Betriebsrenten künftig sogar in den Mittelpunkt der Privatvorsorge rücken. Und die Versicherungswirtschaft verdient gut an Direktversicherungen, einer weit verbreiteten Form der betrieblichen Altersvorsorge.

Das raten Fachleute zur Betriebsrente 

Die Verbraucherzentrale Bayern ist bei Betriebsrenten ebenfalls skeptisch. Vor allem Direktversicherungen lohnten sich für Arbeitnehmer oft nicht, meinen die Verbraucherschützer. Ohne Zuschüsse des Arbeitgebers böten die meisten Tarife kaum einen Inflationsausgleich. Zumindest müsse man schon sehr alt werden, damit sich eine Betriebsrente rechne. Problematisch wird es besonders für Arbeitnehmer, die sich im Laufe ihres Berufslebens selbstständig machen, ihren Job wechseln oder für Frauen, die Kinder bekommen.

Am besten funktioniert eine Betriebsrente indes für Männer, die ein Berufsleben lang in derselben Firma bleiben, bei einem großen Konzern arbeiten und dort üppige Zuschüsse bekommen. Für die klassischen Industriebeschäftigten also, in Branchen mit starken Gewerkschaften, von denen es immer weniger gibt.

Sollten alle anderen also lieber auf eine Betriebsrente verzichten? Theodor Pischke, Vorsorgeexperte bei der Stiftung Warentest, meint nein. Er hält Betriebsrenten nach wie vor für eine vernünftige Sparform. „Pauschal zu sagen, Betriebsrenten lohnten sich nicht, halte ich für Unsinn“, sagt Pischke. Zwar liege bei den Betriebsrenten „einiges im Argen“. Doch mit einem guten Tarif, der Dreh- und Angelpunkt der Entscheidung, träfen Arbeitnehmer die richtige Wahl.

Gute und schlechte Tarife

Gute Direktversicherungen etwa zeichnen sich durch geringe Gebühren und hohe Renditen aus. Im letzten Test der Stiftung haben die Anbieter Europa und Hanse Merkur gut abgeschnitten. Das Problem für Arbeitnehmer dabei: Nicht sie selbst, sondern ihr Chef wählt ein Angebot aus. Wer Pech hat, bekommt gegen seinen Willen einen schlechten Vertrag untergejubelt. Etwa, wenn der Chef einen Versicherungsvertreter kennt, der nicht gerade die besten Tarife verkauft.

Pischke rät Arbeitnehmern, über den Betriebsrat Einfluss auf die Entscheidung zu nehmen. Der Unterschied zwischen einer guten und einer schlechten Direktversicherung kann im Alter mehrere Tausend Euro betragen. Eine Orientierung bietet ein Betriebsrenten-Test der Stiftung Warentest („Finanztest“ 8/2012 oder kostenpflichtig im Internet unter www.test.de).

Auch Rentenfachmann Pischke gesteht ein, dass Betriebsrenten immer eine „Wette auf ein langes Leben“ darstellten. Dafür habe man im Gegensatz zum Sparstrumpf aber auch die Garantie für eine lebenslange Rente.

Fünf Wege zur Betriebsrente

  • Fünf Wege führen zur Betriebsrente: Die Direktversicherung, die Pensionskasse, ein Pensionsfonds, eine Unterstützungskasse oder die Pensionszusage. Der Arbeitgeber entscheidet.
  • Seit 2002 haben Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch auf eine Betriebsrente. Sie wird vom Staat gefördert: 2013 können Beschäftigte bis zu 2784 Euro pro Jahr steuer- und sozialversicherungsfrei von ihrem Bruttogehalt in eine Betriebsrente einzahlen.
  • Bei neueren Verträgen (ab 2005) sind weitere Steuervorteile möglich. Mitunter zahlt der Arbeitgeber Zuschüsse. Staatliche Förderung und Gruppenrabatte machen Betriebsrenten attraktiv. Nachteil: Die gesetzliche Rente fällt kleiner aus, weil im Erwerbsleben weniger Sozialabgaben abgeführt werden. Gesetzlich Krankenversicherte müssen auf Betriebsrenten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zahlen. Für Frauen ist wegen der Kinderzulage meist die Riester-Rente besser.