Hamburg. . Die deutsche „Sesamstraße“ feiert am Dienstag ihren 40. Geburtstag – und Herbert Grönemeyer feiert mit. Am Samstag steigt die große Party: In einer Jubiläumsshow mit Caren Miosga als „lange Sesamstraßennacht“ ab 23 Uhr im NDR.

Am Montag hat mitten im australischen Sommer die Sonne nicht geschienen. Denn statt abzutauchen am Horizont, stieg der Stern zu Dienstschluss auf die Erde nieder und ging ins deutsche Fernsehen, der guten Geste wegen: Geburtstagsbesuch in der „Sesamstraße“. Kuchen und Konfetti gibt es dort allerdings erst heute – am 8. Januar ist es 40 Jahre her, dass Ernie und Bert Deutschland einnahmen. Also, außer Bayern.

Hören Sie das? Dieses Ploing-Zoing der Flummi-Musik in Ihrer Erinnerung? Ernies krächzendes Kichern? Das Fiepsen der rosafarbenen Tiffy knapp unter Obertonhöhe? Man kann das nicht schreiben, das hat man in sich. Jeder, der seit den 60ern groß wurde. „Wer, wie, was?“ Da kann man allerdings durcheinander kommen. Es ist ja nichts und niemand mehr, wie es war. Außer Ernie. Und Bert auch, der uns vor Augenbrauen das Fürchten lehrte, lange bevor Theo Waigel in unserem Bewusstsein erschien.

Samson ist ausgezogen

Das Krümelmonster aber darf Kekse nur noch in Maßen essen und sowieso lieber Obst. Samson, das alte Bärenfell, ist ausgezogen. Dafür sind inzwischen Wolle da und Pferd. Oscar heißt jetzt Rumpel und ist von der Müll- in die Regentonne ausgewandert – oder sind die Griesgrame gar nur Cousins? Man kann darüber streiten, und das Internet beweist: Man tut es auch. Elmo ist definitiv derzeit rot und neuerdings Anchorman. „Wer, wie, was?“ Singt jetzt Lena.

Und wieso, weshalb, warum? Nun, das ist Geschichte, gesellschaftspolitische Entwicklung, sowas. Erst wollten die Bayern diese seltsame Pädagogik nicht, die da Anfang der 70er aus den USA rüberschwappte (wie sie so manches aus Amerika erstmal nicht mögen). Dann fanden Eltern, im Prinzip begeistert von den kleinen Geschichten, die unauffällig soziales Miteinander und Alltagswissen lehrten, die „Sesame Street“ habe im Original mit der Lebenswelt deutscher Kinder wenig zu tun. Später nörgelten sie über Oscars schlechtes Benehmen und bekamen also 1978 ein eigenes deutsches Haus und zwei immer sehr deutsche und sehr ordentliche Schauspieler als Mieter. Man denke zurück: Lilo Pulver! Horst Janson! Manfred Krug! Hildegard Krekel! Uwe Friedrichsen!

Nicht mehr um 18 Uhr, sondern im Ki.Ka um acht

Mancher hat darüber den Einzug einer Schnecke namens Finchen vermutlich verschlafen. Gibt es eigentlich Graf Zahl noch, den lilagesichtigen Ursprung massenhafter Mathematik-Abneigung? Und die Buchstaben im Mantelfutter von Schlemihl sind wohl auch irgendwann ausverkauft – jedenfalls mussten in der Sonnen-Sendung vom Montag drei Puppen das „Z“ selbst bauen. Sie fielen anschließend vom Himmel. Wie auch Wolle, das Reporterschaf, von der Studiodecke. Und die Knetmännchen vom Rad. Früher war weniger Randale. Oder?

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Ach, und überhaupt: früher. Die Sesamstraße läuft jetzt nicht mehr verlässlich um 18 Uhr, sondern im Ki.Ka um acht. Im produzierenden NDR sogar um 6.15 Uhr! Die Sonne trat zu Wochenbeginn also ins Dunkle zu Zeiten, da sie sich eigentlich fertig macht zum Licht-Einschalten. Wer guckt da? Vorschulkinder mit Lizenz zum Fernbedienen? Das mag ein Grund sein, warum vielen aus der Elterngeneration, die vor zehn Jahren vergeblich gegen die Sendezeiten protestierten, entgangen ist, dass es „1000 neue Sachen zu sehen“ gibt in der Sesamstraße. Neue Puppen, neue Kulissen, neues Personal: dass da Annette Frier aufgetreten ist, Anke Engelke, Axel Prahl und auch Dirk Bach.

Lange Nacht nur für Große

Die Geburtstagsparty samt lauter tanzender Puppen läuft heute auch im Morgengrauen. Mit Herbert Grönemeyer, der die „Sesamstraße“ für „Kulturgut“ hält, mit Otto im Seventies-Look, mit einer eigens aufgenommenen neuen Version von „Manah Manah“. Dafür gibt es eine Jubiläumsshow mit Caren Miosga wiederum als „lange Sesamstraßennacht“ am kommenden Samstag, 12. Januar, ab 23 Uhr im NDR. Also für alle, die das Alphabet längst singen können und den Unterschied zwischen „nah bei“ und „weit weg“ schon kennen. Dabei sagen doch alle Verantwortlichen beim NDR, Ernie, Bert und die Kekse seien für Kinder. Manchmal müsste man fragen, um sowas zu verstehen.