Neu-Delhi.. Der Protest der Frauen zeigt Wirkung. Die indische Justiz steht nach der unglaublich brutalen Vergewaltigung einer 23-Jährigen unter starkem öffentlichen Druck: Fünf der sechs Beschuldigten droht jetzt die Todesstrafe – was auch an ihrer Herkunft liegt. Sie stammen alle aus Elendsteilen des Landes.
Es ging schnell, für indische Verhältnisse sogar sehr schnell: Die indische Polizei hat am Donnerstag Anklage wegen Mordes, versuchten Mordes, Vergewaltigung, Raub und Zerstörung von Beweisen gegen jene fünf Männer erhoben, die Mitte Dezember eine 23-jährige Studentin vergewaltigt und ihren Freund misshandelt hatten. Die junge Frau starb später in einem Krankenhaus in Singapur an den Folgen ihrer Verletzungen, die ihr zum Teil mit einer Eisenstange beigebracht worden waren. Ein sechster Täter soll später angeklagt werden. Derzeit wird geprüft, ob er noch minderjährig ist. Es könnte ihm das Leben retten – während auf die übrigen Fünf der Tod wartet. Denn ihr Prozess fällt in eine Zeit, in der die Todesstrafe in Indien wieder auf dem Vormarsch ist, zumindest für Angeklagte wie diese.
Karauli, als Gangsternest verschrien
Der 33-jährige Busfahrer Ram Singh wird bei dem Prozess wohl als Rädelsführer der Sechser-Bande identifiziert werden. Wie sein jüngerer Bruder und Komplize Mukesh wurde er in Delhi geboren. Aber die Familie stammt aus Karauli, einer Gegend im Bundesstaat Rajasthan, die als Gangsterregion verschrien ist. Auch die anderen mutmaßlichen Täter stammen aus den Elendsteilen des Landes.
Ihre Chancen auf ein Lebenslänglich an Stelle der Todesstrafe sind nahezu aussichtslos: Denn spätestens 2014 stehen Wahlen an. Die regierende Kongresspartei will und kann sich nach dieser Vergewaltigung nicht erlauben, in der Frage von Recht und Ordnung als weich zu erscheinen. Zu groß waren die Proteste. Die Justiz und auch das Amt des Staatspräsidenten hatten zuvor mehr als ein Jahrzehnt die Vollstreckung von Todesurteilen mit allen möglichen bürokratischen Mitteln verhindert.
Kastenwesen wirkt auch in der Justiz
Doch seit im November der einzige überlebende Attentäter des Terroranschlags von Mumbai 2008 hingerichtet wurde, ist die Todesstrafe wieder ein populäres Thema für Politiker. „Für die Politik ist es einfach, nach der Todesstrafe zu verlangen“, sagt Meenakshi Ganguly von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch dieser Zeitung. „Denn unbedingt notwendige Reformen der Polizei, des legalen und medizinischen Systems bei Vergewaltigungen sind schwer zu vermitteln.“
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Die fünf Beschuldigten von Neu-Delhi haben nicht nur wegen der erdrückenden Beweislast kaum eine Chance – sondern auch wegen ihrer Armut. Indiens Justiz bewies in der Vergangenheit, dass der Besitz von Geld sich stark auf Strafmaß und Verurteilung auswirkt. Beim sogenannten BMW-Mord 1999 in Delhi schleifte Sanjeev Nanda, Sohn eines Waffenhändlers, mit seinem Fahrzeug sechs Passanten zu Tode, darunter auch Polizisten. Das Verfahren wurde jahrelang verschleppt. Erst 2012 musste der Täter büßen – mit gemeinnütziger Arbeit.
Frauen wiederum, die nach einer Vergewaltigung zur Polizei gehen, müssen alle Arten von Demütigung über sich ergehen lassen. Es fängt mit dem berüchtigten „Zwei-Finger-Test“ an, um herauszufinden, ob ein Vergewaltigungsopfer „an sexuellen Verkehr“ gewohnt sei.
Zumindest in Delhi sollen Urteile künftig schneller gefällt werden. Es wurden fünf „Schnellgerichte“ eröffnet. Im Jahr 2011 wurden in ganz Indien 24 000 Vergewaltigungsfälle gemeldet — Urteile gab es nur in 26 Prozent der Fälle.