Edmonton. .

Vier Monate war Paul Watson auf der Flucht. Er war abgetaucht und musste stets befürchten nach Japan ausgeliefert zu werden. Jetzt ist der kanadische Gründer der weltweit operierenden, radikalen Meeresschutzorganisation „Sea Shepherd“ wieder aufgetaucht. Irgendwo vor der Küste Neuseelands, auf der „Steve Irwin“, einem 60-Meter-Trawler, mit dem er in den nächsten Wochen im Südpazifik die japanische Walfangflotte stoppen will.

Es ist neun Uhr morgens Bordzeit, und Watson sagt, er sitze in seiner Kapitänskajüte. Vor ihm ein Bildschirm mit einer Webcam. Watson hat kürzere Haare als noch zuletzt in Deutschland und trägt ein markantes schwarzes T-Shirt mit einem Totenkopf – dem Symbol seiner Organisation. „Ich bin froh, wieder auf See zu sein“, sagt Watson zum Auftakt des Skype-Gesprächs. Selbst nennt er sich „Captain Watson“. Andere nennen ihn einen Öko-Terroristen.

Störmanöver auf dem Meer

Im Mai war der 62-Jährige in Frankfurt am Flughafen wegen umstrittener Störmanöver auf See festgenommen worden. Costa Rica hatte Watsons Festnahme verlangt, auch Japan wollte seine Auslieferung. Nach acht Tagen in Auslieferungshaft kam er auf Kaution frei und versprach, Deutschland nicht zu verlassen. Nach 70 Tagen verschwand er dennoch mit unbekanntem Ziel.

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Erstmals nennt er überraschende Details seiner Flucht. „Ich habe mich in die Niederlande abgesetzt, bin dort auf ein Schiff gestiegen und in Richtung Pazifik gesegelt. Die meiste Zeit war ich auf See“ berichtet Watson. 12 000 Meilen hat er nach eigenen Angaben zurückgelegt, meist auf Schiffen, die ihm Sympathisanten zur Verfügung gestellt haben.

Über die genaue Route spricht er lieber nicht, er sagt nur soviel: Zweimal sei er unterwegs auf hoher See umgestiegen, bevor er am Ende zur Crew der „Steve Irwin“ gestoßen sei.

Seitdem er sich den deutschen Behörden entzogen hat, wird Watson international gesucht und steht auf der roten Liste von Interpol. Daher mied er während der Flucht das Festland und nutzte Segel- statt Motorschiffe, um ein Auftanken an Land zu vermeiden. Derzeit sei er nur auf See sicher, sagt er. „Um keine elektronische Spur zu hinterlassen, habe ich unterwegs keine Kreditkarte und kein Handy benutzt und mich auch nicht ins Internet eingeloggt.“

Seit mehr als 30 Jahren kämpft Paul Watson mit seiner Piraten-Truppe für Meerestiere. Er stellt sich mit seinen Schiffen den japanischen Walfängern entgegen und blockiert das Shark-Finning, bei dem Haien die Flossen abgehackt werden, weil sie in Teilen Asiens als Delikatesse gelten. Er setzt sich für Delfine und Riesenschildkröten ein – unter Einsatz seines Lebens. Vor zwei Jahren kollidierten zwei seiner Gefährte mit japanischen Walfangschiffen, eines davon sank später.

Prominente Unterstützung

Seine Aktionen werden von vielen Prominenten unterstützt, dem Dalai Lama, dem Fürsten von Monaco oder der Schauspielerin Pamela Anderson, die im Sommer eigens nach Frankfurt gereist war, um Watson frei zu bekommen. In seiner Heimat Kanada ist er ebenso populär wie in Deutschland. Viele Regierende dagegen nennen ihn einen „Kriminellen“ und sähen ihm am liebsten im Gefängnis. Denn die Jagd nach Walen und der Handel mit Haifischflossen sind ein Millionengeschäft, obwohl sie vielerorts eigentlich verboten sind.

Mehrmals war Watson wegen seiner Aktionen schon vor Gericht. In Norwegen wurde er 1997 in Abwesenheit zu 180 Tagen Gefängnis verurteilt. Costa Rica beantragte seine Auslieferung wegen eines Vorfalls aus dem Jahre 2002. Damals hatte Watson ein Haifangschiff abgefangen. Hinterher wurde behauptet, er habe die Besatzung töten wollen, was der Tierschützer vehement abstreitet. Die Vorwürfe seien rein politisch motiviert gewesen, sagt er.

Festnahme schockte ihn

Das hatte zunächst auch Interpol so gesehen, weswegen Deutschland im Sommer nicht verpflichtet war, Watson festzunehmen. Das sie es trotzdem tat, habe ihn geschockt, sagt Watson. „Die deutsche Regierung wollte Costa Rica und vor allem Japan einen Gefallen tun“, ist er überzeugt, der in den siebziger Jahren auch zum Gründungszirkel von Greenpeace gehörte.

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Warum er geflohen ist? Watson behauptet, dass die Regierung ihn an Japan ausliefern wollte. „Nach Hinterlegung der Kaution musste ich mich täglich bei der Polizei melden“, schildert er die entscheidenden Stunden. „Ende Juli hörte ich dann von jemandem aus dem Justizministerium, dass ich beim nächsten Meldetermin, einem Montag, festgesetzt und nach Japan ausgeliefert werden sollte.“ Also hat er das Land noch am Sonntag, einen Tag davor, heimlich verlassen.

Im Südpazifik glaubt er sich vor den Behörden sicher. Dort läuft derzeit die „Operation Zero Tolerance“, an der vier seiner Schiffe und 120 Leute aus 26 Ländern beteiligt sind. Sobald die japanische Walfangflotte ausläuft, werden sich Watson & Co. in Richtung Antarktis aufmachen, um sich den Jägern entgegenzustellen.

„Ich gebe so lange nicht nach, bis keine Wale mehr gewildert werden“, gibt sich der Tierschützer entschlossen. Das Gespräch beendet er mit dem Satz: „Wenn ich dafür mein Leben auf See verbringen muss, dann werde ich das tun.“