Phoenix. . Amerika hat nach den Terror-Anschlägen vom 11. September 2001 seine bis dahin eher lose angelehnte Hinterhof-Haustür gen Süden mit Milliardenaufwand verbarrikadiert. Allein am 350 Kilometer langen Grenzabschnitt in Arizona wurden in diesem Jahr schon über 120.000 Flüchtlinge aufgegriffen.

Das Areal, über das Ronny Gottfried Moerkerken an diesem Morgen fliegt, würde jedem Western-Schinken mit John Wayne zur Ehre gereichen. Saftig-grüne Kakteen, rote Erde, Dornensträucher, menschenleere Weite, blauer Himmel. Soweit das ungeschulte Auge sieht. Moerkerken guckt anders auf dieses Land, von dem er sagt, links sei da, „wo sie herkommen – und rechts ist Amerika“.

Sie, das sind zwischen September und April, wenn es nachts nicht zu kalt und tagsüber nicht zu heiß wird, mal 100, mal 300 Menschen, die der in Frankfurt geborene Hubschrauber-Pilot der „US Customs and Border Patrol“ vom US-Staat Arizona und seine anderen Kollegen vom Grenzschutz Woche für Woche festnehmen, abschieben und oft nach ein paar Monaten wieder festnehmen. Beim nächsten Versuch, illegal von Mexiko aus nach Amerika zu gelangen. „Zehn Prozent fangen wir. Höchstens. Der Rest kommt durch.“

„Sagt mir sofort Bescheid, wenn was los ist“

Amerika hat nach den Terror-Anschlägen vom 11. September 2001 seine bis dahin eher lose angelehnte Hinterhof-Haustür gen Süden mit Milliardenaufwand verbarrikadiert. Kilometerlang stehen inzwischen bis zu sieben Meter hohe, braun-rostige Eisen-Geländer in der Wüstenlandschaft, die in der Abendsonne wie Skulpturen von Richard Serra anmuten. Die Belegschaft der „US Customs and Border Patrol“ – der Heimatschutzministerin Janet Napolitano unterstehenden Behörde für Grenzschutz, Grenzzaun und Zoll – wurde entlang der rund 3150 Kilometer langen Trennlinie zu Mexiko auf fast 20 000 Leute aufgestockt.

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Mit Hubschraubern, kleinen Motorflugzeugen, unbemannten Drohnen, Nachtsichtgeräten, Wärmebildkameras, Bewegungsmeldern, Wachtürmen, Bodensensoren und Pferde-Patrouillen wehren die Grenzer den Zustrom aus dem Süden ab. Oder versuchen es wenigstens. Offiziell mit Erfolg.

Am 350 Kilometer langen Grenzabschnitt, den Arizona zu bewachen hat, gab es im Jahr 2000 rund 615 000 Zugriffe. Im vergangenen Jahr, sagt Brent Cagen, waren es „nur noch 123 000“. Ronny Moerkerken will den Gästen aus Deutschland Alltag zeigen. „Sagt mir sofort Bescheid, wenn was los ist“, funkt er an den nächsten Außenposten. Moerkerken meint „auf frischer Tat festgenommene Einwanderer“. In Papago ist aber nichts los. „Zu heiß“, sagt Jeff, der Kommandeur. „Die Kojoten gehen bei diesem Wetter kein Risiko ein.“

„Sie verändern Amerika, sie haben eine andere Kultur“

Die Kojoten, das sind Schleuser, die tief im mexikanischen Hinterland ihre „Ware“ aufnehmen und für Summen zwischen 1500 und 3000 Dollar in Richtung Grenze lotsen. Jeff sagt wirklich Ware. Er rechnet in der nächsten Nacht mit Nachschub.

Wer nicht ankommt, ist entweder verdurstet oder einem Hitzschlag erlegen. Auch Skorpione oder die giftigen Gila-Echsen können eine Flucht jäh beenden. Die Kojoten kümmert das nicht.

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Gezahlt wird vorher. Im Schnitt, sagen Menschenrechts-Organisationen in Phoenix, „stirbt fast jeden Tag ein Mensch bei dem Versuch, die Wüste illegal zu durchqueren“.

Nach fast zwei Stunden in der Luft kommt Leben in Ronny Moerkerken. Über Funk hat der 45-Jährige erfahren, dass eine berittene Grenz-Patrouille „einige Körper“ gefunden hat. Das können Leichen sein. Oder Illegale, die einen Sensor ausgelöst haben. Nach einigen haarscharfen Kurven dreht Moerkerken den Helikopter über einem Hügel scharf nach rechts. Dann stehen wir in der Luft. Acht junge Männer sind von der Polizei aufgebracht worden. Mit gesenkten Köpfen schleichen sie über den Trampelpfad in Richtung Parkplatz.

Ein Kollege von Brent Cagen wartet, um die Festgenommenen zur Aufnahme der Personalien auf die nächste Wache zu bringen. Danach werden sie zurückgeschickt nach Mexiko. Bis sie wiederkommen. Ronny Moerkerken würde das Problem anders angehen. Es wäre billiger, sagt er, den Fluchtwilligen 10 000 Dollar in die Hand zu drücken. „Damit sie da bleiben, wo sie sind“. Haben will er sie in seinem Land nicht. „Sie verändern Amerika, sie haben eine andere Kultur“, sagt er.