Düsseldorf. . In der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität geht es an diesem Freitag und Samstag darum, wie Väter und Söhne unter Trennung leiden. Der “Männerkongress 2012“ dreht sich diesmal um das Thema Scheidung und die Folgen - auch interessierte Laien sind eingeladen.

Zehn Jahre, sagt Helmut P., habe er getrauert, und mancher seiner Freunde glaubt, er sei immer noch nicht darüber hinweg. Depressive Schübe und gescheiterte Beziehungen hat er hinter sich. Das Verhältnis zu seinem jüngsten Sohn (24) ist abgebrochen, seit sechs Jahren haben die beiden sich nicht gesehen. Beim Älteren, der behindert ist und unter Betreuung lebt, ist die Beziehung zum Vater intakt, die zur Mutter gleich Null.

Es ist das Resultat einer Ehe, die im Streit endete - um die Kinder, ums Geld, darum, wer mehr „Schuld“ hat an allem. Mehrere Therapien hat der Rechtspfleger (55) gebraucht, bis er lernte, über seine Gefühle zu reden, sich zu öffnen. Das, sagt der Düsseldorfer Psychotherapeut Professor Matthias Franz, sei neu: „Endlich sind es zunehmend auch Männer, die in Trennungssituationen die Hilfe von Fachleuten suchen.“ Daher sei es an der Zeit gewesen, den Männerkongress 2012 unter das Motto: „Scheiden tut weh. Elterliche Trennung aus Sicht der Väter und Kinder“ zu stellen.

Bis heute habe die Trennungsforschung, so Franz, die Männer kaum in den Blick genommen. Hilfsangebote richteten sich in erster Linie an Frauen, die in der Regel als alleinerziehende Mütter bereit waren, diese anzunehmen: „Weil sie sich artikulieren, weil sie bereit sind, sich in die Abhängigkeit eines Psychologen, einer Beratungsstelle zu begeben.“ Männern falle es immer noch schwer, ihre emotionale Bedürftigkeit zu formulieren, immer noch stünden sie für eine „schweigsame Härte“, obwohl sie genauso leiden. Aber: „Die Gitterstäbe öffnen sich. Wir Ärzte müssen auch selbstkritisch umdenken in unserer diagnostischen Routine. Uns nicht zufriedengeben, wenn ein Mann sagt, dass es ihm gut gehe, wenn es ihm offensichtlich schlecht geht.“ Es gelte, nachzuhaken, „um den Mann zu werben, ihn zu trösten, ihm Mut zu machen...“.

Kinder als Druckmittel

Auch Helmut P. zog sich nach der Trennung vor 18 Jahren zunächst zurück, das Scheidungsrecht der 90er-Jahre traf ihn hart: „Kinder sind das Druckmittel der Frauen“, ist er bis heute überzeugt. Wohl verletzt darüber, dass er die Beziehung beendete, zog seine Frau alle Register, paukte beim Jugendamt das alleinige Sorgerecht durch, boykottierte die 14-tägige Besuchsregelung: „Angeblich kümmerte ich mich nicht richtig um sie, oder sie beklagte sich, die Kinder seien total durch den Wind, wenn sie bei mir waren.“ Selbst die Lehrerin verweigerte dem Vater die Auskunft, als er sich nach seinen Söhnen erkundigte: „Sie haben mit den Kindern nichts mehr zu tun“.

Seine Frau blieb im Haus, in das später ihr neuer Freund einzog, der entsorgte Vater zahlte Unterhalt und Hypothek und zog in eine Einraumwohung. 1500 Mark blieben ihm zum Leben. Der jüngere Sohn lehnte sich schnell an den Ersatzvater an, der ältere kam ins Heim.

Aus seinen Gesprächsrunden weiß Helmut P. heute, dass es ihm vergleichsweise noch gut ging: „Viele verlieren sich in Alkohol oder Drogen. Je schlechter es mir ging, umso größer war der Bogen, den ich darum gemacht habe.“ Wenigstens habe sich in der Gesetzgebung einiges getan - gemeinsames Sorgerecht wurde zur Regel gemacht - Helmut P. wäre froh gewesen, wenn es das früher gegeben hätte.

Der Gesetzgeber bereite zwar den Boden für mehr Vaterrechte, doch das reiche nicht aus, sagt Professor Franz. Vielmehr müsse sich in der Öffentlichkeit durchsetzen, wie wichtig Väter auch für die Entwicklung ihrer Kinder seien - die der Mädchen, vor allem aber die der Jungen. Angesichts von 200 000 Scheidungen und 150 000 betroffenen Kindern pro Jahr, die nahezu vaterlos aufwachsen, sei das eine gesellschaftliche Herausforderung.

Drogenprobleme und ADHS

Zahlen aus internationalen Studien sprächen eine deutliche Sprache. Drogenprobleme, delinquentes Verhalten, Selbsttötungen steigen bei Jungen aus Ein-Eltern-Familien gegenüber denen aus Zwei-Eltern-Familien deutlich an, das Risiko, an einer Aufmerksamkeits-defizit-Störung (ADHS) zu erkranken, verdoppelt sich.

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Franz: „Das Mitwirken der Väter ist beim Erlernen sozialer Kompetenzen oder beim Schulerfolg entscheidend.“ Frage man betroffene Kinder, so sagen die meisten, dass sie den Vater gerne jede Woche sehen würden, statt nur, wie üblich, alle 14 Tage: „Das darf aber nicht mit Stress und Streit zwischen den Eltern verbunden sein.“ Es gelte, auch bei getrennten Paaren die Lücke zu schließen, die der Vater hinterlässt: als Vorbild, Motivator oder Mahner für seine Kinder, wenn es gilt, die Welt zu erobern - kurz - „als jemand, der mit seinem Sohn auf dem Fußballplatz mitjubelt.“

Der Männerkongress tagt am 21. und 22. September in der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf und richtet sich an Fachleute und interessierte Laien.