Berlin. . Die Zeiten, wo der Beifall für Thomas Gottschalk nicht enden wollte, sind längst vorbei. Beim Casting für das „Supertalent“ ist der Applaus brav. Obendrein hat der ehemalige ZDF-Star in der RTL-Show seine Rolle noch nicht gefunden. Ein Besuch bei den Aufzeichnungen für das “Supertalent“.
Früher wollte der Applaus nicht enden, wenn Thomas Gottschalk auf die Bühne kam. Und selbst wenn Weltstars zu Gast waren, blieb der Gastgeber im Mittelpunkt. Früher ist nur neun Monate her.
Mittlerweile machen sie Scherze über Gottschalk, noch bevor die Aufzeichnung für das "Supertalent" beginnt. „Klatschen Sie vielleicht nicht alle“, bittet Daniel Hartwich die 3000 Besucher im Berliner Tempodrom schon mal und spielt auf das ARD-Vorabenddebakel des neuen Jurors an. „Denn so viele Zuschauer auf einem Haufen ist der gar nicht mehr gewohnt.“ Applaudiert wird kurz darauf zwar trotzdem. Aber nur kurz. Und viel weniger als bei Dieter Bohlen, der kurz danach die Bühne betritt.
Gottschalk ist der Gentleman der Supertalent-Jury
Dann sitzen sie da hinter ihrem Pult und umrahmen Michelle Hunziker. Die hat sich an diesem Tag in ein Kleid gezwängt, das ihr genauso den Atem raubt, wie den männlichen Besuchern. Sie ist die Schöne, Bohlen ist das Biest. Was Gottschalk ist, bleibt unklar. Zumindest ist er nicht mehr der Star der Show, bei der sich dieses Mal angeblich mehr als 44.000 Menschen beworben haben.
„Den Gentleman der Jury“, nennt ihn „Supertalent“-Regisseur Volker Weicker und behauptet, Gottschalk hebe das „Niveau“ der Show. Davon ist bei dieser Aufzeichnung wenig zu merken. Natürlich treten ein, zwei Menschen auf, die nicht komplett talentfrei sind. Und niemand ist gekommen, der mit seinen Geschlechtsteilen Bilder malt oder Piano spielt. Aber noch immer gibt es Sänger, die nicht singen und Tänzer, die nicht tanzen können.
„Nicht ganz so schön“ findet die stets freundliche Hunziker ihre Auftritte. Für Bohlen dagegen ist das „gar nix“ oder auch mal „richtig Scheiße“. Dann ärgert sich Gottschalk, wie er selbst zugibt. „Was Dieter sagt, ist meistens richtig“, findet der ehemalige Wetten, dass…?-Moderator, „wie er es sagt, ist manchmal das Problem.“ Bei Gottschalk ist es derzeit genau umgekehrt.
Er will niemandem weh tun, aber auch keinen Untalentierten weiterlassen. So schwadroniert er weitgehend witzfrei um den heißen Brei herum, und nur selten blitzt die alte Schlagfertigkeit auf. Ja, es ist ihm nicht einmal peinlich, Tüten voller Gummibärchen in die Zuschauer zu werfen, um Sympathie zu gewinnen. Bis dann Bohlen ein Machtwort spricht. „Ja oder nein. Sag was.“
RTL will mit Gottschalk die Quoten stabilisieren
Warum RTL die Showlegende engagiert hat, ist klar. Er soll die zuletzt schwächelnden Quoten stabilisieren, vielleicht sogar steigen lassen. Warum aber Gottschalk ausgerechnet in eine jener Shows einsteigt, die er jahrelang immer wieder heftig kritisiert hat, bleibt rätselhaft.
Geld braucht er nicht, Ruhm gibt es hier nicht. „Warum soll ich nicht in ein Mikrofon quatschen, solange man mir eins hinhält?“, sagt Gottschalk darauf nur und klingt dabei wie ein Fußballer, der jahrelang für Dortmund spielte und nun „Auf Schalke“ wechselt, nachdem er in Bielefeld rausgeflogen ist. Ein Showsöldner, der nicht aufhören kann, obwohl er seinen Zenit überschritten hat. Genau wie die Sendung, für die er jetzt im Einsatz ist.
Denn das größte Problem der immer aufwändiger inszenierten Talentsuche kann auch ein Thomas Gottschalk nicht lösen. In der mittlerweile sechsten Staffel wird es immer schwieriger, noch etwas Überraschendes zu bieten. „Nett, aber das habe ich“, stöhnt Dauerjuror Bohlen nach Vorführungen gerne, „schon hundert Mal gesehen.“
Das Dumme ist: die Zuschauer auch.