Miami. Ranger im Everglades-Nationalpark in Florida warnen Touristen vor Tiger-Pythons. „Aussteigen nicht zu empfehlen, das Reptil ist stärker“, heißt es. In den tropischen Sümpfen im Süden des US-Bundesstaates haben die nimmersatten Räuber die tierische Multikulti-Gesellschaft in den vergangenen 20 Jahren arg dezimiert.
Wer den Tamiami Trail ansteuert, die Querverbindung von Tampa an der Golf-Küste und Miami an der Atlantikküste, sollte auf lebende Baumstämme gefasst sein. Sie liegen morgens in voller Länge ausgestreckt zum Sonnenbaden auf dem Asphalt. Tiger-Pythons. XXL-Ausgaben einer Schlangenart, von der die Ranger im Everglades Nationalpark sagen: „Aussteigen nicht zu empfehlen, das Reptil ist stärker.“
Wie stark, das haben Forscher jetzt nach einem Rekordfang auf dem Seziertisch festgehalten: 74 Kilo schwer, 5,39 Meter lang und 87 potenzielle Kinder im Wanst. Vor allem der letzte Teil des Steckbriefs des burmesischen Pythons umreißt das Problem. Floridas Süden befindet sich im Würgegriff einer Tierart, die sich gnadenlos zur Arteneinfalt durchfrisst. Und das alles, so genau weiß man das nicht, weil überforderte Tierhalter die Schlangen dereinst einfach ausgesetzt haben. Oder weil der verheerende Hurrikan Andrew 1992 auch vor Zoos und Reptilien-Gehegen nicht Halt machte.
In den tropischen Sümpfen im Süden Floridas haben die nimmersatten Räuber die tierische Multikulti-Gesellschaft in den vergangenen 20 Jahren brutal dezimiert. Kaninchen, Waschbären, Beutelratten, Füchse, Hirsche, Luchse – fast alles aufgegessen. Selbst Alligatoren, die letzten natürlichen Feinde, stehen inzwischen regelmäßig auf dem Speisezettel der Riesenschlangen. Manchen schlägt das übel auf den Magen – die Schlangen platzen.
Hunde erschnüffeln die Schlangen
Dass die bisherigen Herrscher des 6100 Quadratkilometer großen Naturschutzgebietes ins Beuteschema der Schlangen passen, zeigt nach Einschätzung von Michael Dorcas vom Davidson College/North Carolina die „Gefahr, dass hier ein ganzes Ökosystem kippen kann“.
Für die Behörden ist der Versuch, der Plage Herr zu werden, längst zum Katz-und-Mausspiel geworden. Zwar ist der Import von Schlangen oder Schlangeneiern verboten. Und seit 2009 legt Florida auch regelmäßig ein mit speziellen Lizenzen versehenes Jagd-Programm auf. Aber: „Die Schlangen sind clever“, sagen die Wissenschaftler des Innenministeriums. „Sie verstecken sich und sind selbst dann nur schwer zu erkennen, wenn man zwei Meter daneben steht.“ Entsprechend marginal war stets die Zahl der erlegten Tiere.
Am aussichtsreichsten schien da noch ein Experiment mit neu abgerichteten Hunden der Auburn Universität in Alabama zu sein, die sonst nach Sprengstoff schnüffeln. Während eines Testversuchs in den Everglades spürten Jake und Ivy, zwei Labrador Retriever, in kürzester Zeit 20 Pythons auf. Einige wurden getötet, andere mit Peilsendern versehen, um ihren Bewegungsradius zu beobachten. „Wir wissen noch zu wenig“, erklärt der Forscher Kenneth Krysko.
Eine Firma stellt Schuhe, Gürtel oder Brieftaschen her
Der Rekordfang, insbesondere die 87 Eier, sollen nun Hinweise darauf geben, ob und wie man die Vermehrungsfähigkeit der Tiere eindämmen kann. Dabei drängt die Zeit. Zwischen 1863 und 2010, sagt Krysko, wurden fast 140 Tierarten nach Florida eingeführt. Keine ist so asozial wie der Tiger- oder Netzpython.
Dass bei der ständig wachsenden Population – die Schätzungen liegen zwischen 20 000 und 200 000 Schlangen – Begegnungen mit dem Menschen langfristig nicht ausbleiben, ist absehbar. Aus Sicht der Tourismusbranche, die allein in den Everglades pro Jahr 4,5 Millionen Besucher zählt, eine Horror-Vorstellung. In Vororten von Miami, so die dort ansässige Zeitung „Herald“, mehren sich Zwischenfälle, bei denen Pythons die Katze oder den Hund verschlingen. Was tun?
Als kleiner Lichtblick gilt die Firma „All American Gator“ in Hallandale Beach. Was bei Brian Wood als Python ankommt, geht als Schuh, Gürtel oder Brieftasche wieder heraus. Wood unterhält inzwischen Läden, wo eine echte Python-Lederjacke bis zu 2500 Dollar kosten kann. Und das Fleisch? Dass die Gesundheitsbehörde wegen des hohen Quecksilber-Gehaltes der Tiere offiziell vor dem Verzehr warnt, schreckt Wood nicht ab. Für sich und Freunde haut der Unternehmer ab und an ein Stück Python in den Wok. „In Thai Green Curry schmeckt das vorzüglich.“