Aurora. Die Wohnung des Amokläufers von Aurora glich einer explosiven Falle. Experten entschärften rund 30 Sprengsätze, mit denen der gesamte Gebäudekomplex in die Luft geflogen wäre. Unter den Opfern des Todesschützen befindet sich auch ein sechsjähriges Mädchen.
Nach dem Massaker in einem Kino im US-Bundesstaat Colorado hat die Polizei alle Sprengfallen in der Wohnung des Attentäters entschärft. In der Nacht zum Sonntag verlautete aus Ermittlerkreisen, im Apartment des 26-jährigen Studenten in Aurora im Raum Denver seien rund 30 Sprengsätze entdeckt worden. Sie seien mit Drähten mit einem Schaltkasten in der Küche verbunden gewesen. Zudem hätten sich in der Wohnung zwei Behälter mit explosiven Flüssigkeiten und eine große Menge scharfer Munition befunden. "Diese Wohnung war konzipiert, jeden zu töten, der sie betritt", sagte der Polizeichef von Aurora, Dan Oates. Ein Sprengstoffexperten erklärte, im Falle einer Explosion wäre vermutlich der gesamte Gebäudekomplex in die Luft gegangen.
Alle Opfer des Todesschützen identifiziert
Über das Motiv des Attentäters herrschte am Wochenende weiter Unklarheit. Der Täter soll am Montag dem Haftrichter vorgeführt werden. Nach dem Amoklauf von Aurora sind alle zwölf Todesopfer identifiziert. Das jüngste Todesopfer war ein sechsjähriges Mädchen. Die kleine Veronica Moser sei in der Nacht zum Freitag mit ihrer Mutter in das Kino gegangen, sagte eine Verwandte, Annie Dalton. "Sie war so lebensfroh, wie man es von einer Sechsjährigen erwarten würde." Die Mutter liege mit Kugeln im Hals und einer Schusswunde im Unterleib auf der Intensivstation, sagte Dalton. "Niemand hat ihr etwas gesagt. Sie ist in kritischem Zustand, aber sie fragt nur nach ihrer Tochter."
Nach Angaben der Gerichtsmedizin wurden alle Opfer durch Schüsse getötet. Die meisten waren zwischen 20 und 30 Jahren alt. Der Amokläufer hatte in der Nacht zu Freitag in einem Kino in Aurora im US-Bundesstaat Colorado während einer "Batman"-Filmpremiere das Feuer auf die Kinogänger eröffnet. 58 Menschen wurden verletzt. Der mutmaßliche Amokläufer, der 24 Jahre alte James Holmes, soll am Montag erstmals vor Gericht erscheinen.
Amokläufer hatte keinen Komplizen
Die Polizei der Stadt Aurora hat Medienberichte über einen möglichen Komplizen des Amokläufers bei der Vorbereitung seiner Tat zurückgewiesen. "Es gibt zahlreiche unbestätigte und falsche Medienberichte über einen zweiten Verdächtigen", erklärte eine Polizeisprecherin in der Nacht zu Sonntag. Zwar sei richtig, dass ein Bekannter des mutmaßlichen Amokläufers James Holmes am Samstagabend von der Polizei verhört worden sei. Es gebe aber keinen Grund, von einer Tatbeteiligung des Mannes auszugehen. Weitere Angaben wollte die Polizeisprecherin nicht machen.
Medien hatten berichtet, die Polizei suche nach einem Studienkollegen des festgenommenen 24 Jahre alten Holmes wegen einer möglichen Beteiligung an den Vorbereitungen des Blutbades. Demnach hatte der Mann die Polizei angerufen und mit neuer Gewalt gedroht, sollte Holmes nicht aus der Haft entlassen werden.
James Holmes plante Attentat von langer Hand
Der mutmaßliche Amokläufer von Aurora hatte die Bluttat mit zwölf Toten und 58 Verletzten offenbar seit Monaten vorbereitet. Bei seinem Anschlag auf das Kino im US-Staat Colorado sei er mit "Berechnung und Absicht" vorgegangen, sagte der örtliche Polizeichef Dan Oates am Samstag. Unterdessen trauerten verzweifelte Familien um ihre getöteten Angehörigen.
Der Schock nach dem Amoklauf von Aurora ließ auch den zuletzt immer erbitterter geführten Wahlkampf vorerst verstummen: US-Präsident Barack Obama und sein republikanischer Herausforderer Mitt Romney stellten ihre Terminplanung vorerst zurück, kondolierten den Familien der Opfer und riefen zur nationalen Einheit auf.
6000 Schuss Munition über Internet gekauft
Schon seit vier Monaten habe der mutmaßliche Amokläufer mit der Post etliche Lieferungen erhalten und kürzlich über das Internet 6.000 Schuss Munition gekauft, sagte Polizeichef Oates. Außerdem erstand der Verdächtige eine Trageweste, zwei Magazinhalter und ein Messer für rund 300 Dollar (rund 246 Euro) bei einem Online-Händler für Polizei- und Militärausrüstung.
Die Bestellungen habe er sich sowohl nach Hause als auch an die Universität schicken lassen, sagte Oates. "Das ist der Beweis für eine gewisse Berechnung und Absicht. Die Wohnung des Verdächtigen sei so mit Krügen mit Brandbeschleunigern, Sprengstoff und Chemikalien präpariert gewesen, um "jeden, der sie betrat" zu töten. Das hätte auch einer seiner Polizeibeamten treffen können. "Ob wir wütend sind? Wir sind stinksauer", antwortete Oates bei einer Pressekonferenz auf die Frage eines Reporters.
Mutmaßlicher Aurora-Täter befindet in Einzelhaft
Über das Motiv des Täters herrschte derweil noch immer Rätselraten. Er befand sich am Samstag in einer Haftanstalt zu seinem Schutz in Einzelhaft. Nach Behördenangaben soll er am Montag vor Gericht erscheinen. Ihm sei zudem ein Pflichtverteidiger zugewiesen worden.
US-Präsident Obama und sein republikanischer Herausforderer Romney sprachen derweil den Familien der Opfer ihr Mitgefühl aus. Er hoffe, jeder nehme sich am Wochenende Zeit für "Gebete für die Opfer dieser schrecklichen Tragödie", erklärte Obama in seiner wöchentlichen Radioansprache am Samstag.
Unter dem Eindruck der Bluttat war er vorzeitig von einer Wahlkampfreise in Florida nach Washington zurückgekehrt. Die Schießerei sei eine "Erinnerung daran, wie zerbrechlich das Leben ist", erklärte er unmittelbar nach dem Amoklauf vor Anhängern in Fort Myers. "Letztlich geht es nicht um die kleinen, trivialen Dinge, sondern wie wir einander behandeln und wie wir uns lieben." Sicherheitsberater John Brennan unterrichte Obama über den Fortgang der Ermittlungen und dem Einsatz der Sicherheitskräfte in der Wohnung des Verdächtigen, teilten Gewährsleute mit. Am (heutigen) Sonntag will der Präsident nach Colorado fliegen, wie das Weiße Haus mitteilte.
Bloggerin unter den Opfern des Amoklaufs in US-Kino
Erst vor sechs Wochen überlebte sie einen Amoklauf in einem Einkaufszentrum in Toronto, nun fiel Jessica Ghawi dem Todesschützen von Aurora zum Opfer. Die 25-jährige Sportreporterin und Bloggerin saß in der Mitternachtspremiere von "The Dark Knight Rises", wo sie einen Kopfschuss erlitt. Ihr Bruder Jordan Ghawi sagte, der Tod der jungen Frau sei ein Schock für die Familie.
Er hatte in seinem Blog und via Twitter über die Erlebnisse seiner Schwester berichtet, über die ihn ein Freund informierte, der ebenfalls im Kino saß. Dieser gemeinsame Freund habe beschrieben, dass er und Jessica zu Beginn des Amoklaufs in Deckung gegangen seien. Jessica Ghawi habe eine Schusswunde im Bein erlitten und geschrien, während der Freund versucht habe, sie zu beruhigen und die Blutung zu stoppen.
Der Freund, der in dem Blog nur als Brent bezeichnet wird, habe sich weiter um die Wunde gekümmert, bevor er bemerkt habe, dass Jessica nicht mehr schrie. Sie sei in den Kopf geschossen worden. Auch Brent erlitt zwei Schusswunden, konnte sich aber retten und wird überleben. Jordan Ghawi lobte den Mann als Helden. Mit Jessica starben elf weitere Menschen.
"Ich sah die Angst auf den Gesichtern"
Die 24 Jahre alte Jessica Ghawi war vor etwa einem Jahr von Texas nach Denver gezogen und hatte ein Praktikum bei dem Radiosender Mile High Sports Radio gemacht. In ihrem Blog beschrieb sie ausführlich das Schüsse im Einkaufszentrum Eaton Centre in Toronto, bei dem zwei Menschen getötet und mehrere weiter verletzt wurden. "Ich habe am Samstag erfahren, wie zerbrechlich das Leben ist", schrieb sie. "Ich sah die Angst auf den Gesichtern der Menschen. Ich sah die Opfer eines sinnlosen Verbrechen. Ich sah, wie sich Leben änderten. Ich wurde daran erinnert, dass wir nicht wissen, wann oder wo unsere Zeit auf der Erde endet."
Der Radiomoderator Peter Burns, der beim Mile High Sports Radio mit Jessica zusammenarbeitete, erklärte, das Erlebnis habe sie zwar erschreckt, aber ihr auch Mut gegeben, ihre Träume zu verfolgen. Ihr früherer Kollege Mike Taylor beim Radiosender KTKR-AM in San Antonio sagte, Jessica habe nur zögerlich ihren Nachnamen in "Redfield" geändert, weil er leichter auszusprechen und eine Anspielung auf ihre roten Haare sei.
Jessica Ghawi nutzte unter ihrem neuen Namen ausgiebig soziale Medien. In ihrem letzten Tweet hieß es in Großbuchstaben: "Film beginnt erst in 20 Minuten".
US-Präsident Obama trifft auf Angehörige der Opfer
Romney kondolierte bei einem Auftritt im Staat New Hampshire und stimmte in den Aufruf Obamas zu nationaler Einheit ein. Er spreche jenen sein Mitgefühl aus, "deren Leben in einigen wenigen Momenten erschüttert wurden, einigen wenigen Momenten des Bösen in Colorado", sagte Romney. "Die Antwort ist, dass wir zusammenkommen können. "Wir werden unseren Mitbürgern das gute Herz Amerikas zeigen."
Nach den tödlichen Schüssen in einem Kino in Aurora besucht US-Präsident Barack Obama am Sonntag die bei Denver gelegene Stadt im Bundesstaat Colorado. Er werde dort mit Angehörigen der Opfer und Behördenvertretern zusammentreffen, teilte das Weiße Haus mit. Von Montag bis Mittwoch ist eine Werbetour Obamas für seine Wiederwahl in den Bundesstaaten Nevada, Kalifornien, Oregon, Washington und Louisiana vorgesehen. Nach dem Amoklauf bei einer Filmpremiere hatte Obama am Freitag den Wahlkampf ebenso wie der republikanische Präsidentschaftsbewerber Mitt Romney zunächst ausgesetzt. (dapd/rtr/afp)