Essen/Köln. Früher hielt RTL die Konkurrenz deutlich auf Abstand. Das ist jetzt vorbei. Die Kölner müssen sich den Spitzenplatz im Markt mit dem ZDF teilen. Dass RTL die Luft ausgeht, hat nicht nur mit dem Sportjahr zu tun.
„RTL deklassiert die Konkurrenz“, titelte das Branchenblatt „Horizont“ voriges Jahr. Der Kölner Privatsender habe „das schier Unmögliche“ geschafft: als Marktführer gegenüber dem Vorjahr noch zuzulegen. Jetzt liest sich die Meldung wie ein Histörchen aus vergangener Zeit. RTL wankt als Nr. 1 im TV-Markt. Das liegt am Sportjahr 2012, sicher. Aber einige Probleme sind hausgemacht.
Anke Schäferkordt, seit Anfang April neben Guillaume de Posch Chefin der gesamten RTL-Gruppe, stimmte die Branche auf schlechtere Zeiten ein. In einem Zeitungsinterview sagte Deutschlands mächtigste Medien-Managerin: „Wenn TV-Zuschauer je nach Empfangsart die Wahl haben zwischen weit über 100 Kanälen, ist es schlicht unrealistisch, dass mehrere Sender dauerhaft zweistellige Marktanteile einfahren.“ Die 49-Jährige prophezeite sinkende Marktanteile für die großen deutschen Fernsehsender. Pflichtgemäß fügte sie hinzu, RTL wolle Marktführer bleiben – mit „ordentlichem Vorsprung“.
Allerdings tut sich Schäferkordts Truppe derzeit schwer, die Konkurrenz auf Abstand zu halten. Im ersten Halbjahr dieses Jahres muss sich RTL die Spitzenposition mit dem ZDF teilen. Beide verbuchten einen Marktanteil von 12,7 Prozent beim Gesamtpublikum, dicht gefolgt von der ARD mit 12,5 Prozent. Im vorigen Jahr hatte RTL einen Marktanteil von 14,1 Prozent verbucht – Rekord.
Dieter Bohlen castet Kinder
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Selbst bei den werberelevanten Zuschauern zwischen 14 und 49 verlor RTL deutlich – und in diesem Markt ist der Sender traditionell die Nr. 1. Der Vorjahreswert von 18,4 Prozent schmolz auf 16,7 Prozent ab.
Woran liegt’s? Die Fußball-Europameisterschaft taugt als Grund nur bedingt. Das Sportturnier beherrschte allein den gerade abgelaufenen Juni.
Taumelnder Branchenprimus
Die Quoten-Schwäche des taumelnden Branchenprimus’ spiegelt die Schwäche des Programms. Ob „Dschungelcamp“ oder „DSDS“ – die RTL-Shows kommen in die Jahre. Selbst das schier unverwüstliche Quiz „Wer wird Millionär?“ verliert schleichend an Glanz. Und der Casting-Ableger „DSDS Kids“ fiel ganz durch – dem Vollproll Dieter Bohlen nimmt niemand den Kinderfreund ab.
Und als Serien-Sender mit massenattraktiven Eigenproduktionen hat sich RTL abgemeldet. Für „Countdown – Die Jagd beginnt“ kam das Ende, als die dritte Staffel floppte. Noch ärger erwischte es „Die Draufgänger“: Jörg Schüttauf und Kollegen müssen ihre Arbeit nach nur einer Staffel einstellen.
Zugleich wird RTL vom ZDF gehetzt. Die Mainzelmänner punkten mit starken Vorabend-Krimis und erfolgreichen Eigenproduktionen zur besten Sendezeit. Polit-Talkerin Maybrit Illner hält ihren ARD-Kollegen Reinhold Beckmann donnerstags erfolgreich auf Abstand, und Spätabend-Plauderer Markus Lanz beschert seinem Sender Publikumserfolge zu vorgerückter Stunde.
RTL, wohin? Sendersprecher Christian Körner hält sich noch bedeckt. Erst Mitte August, kurz vor dem Start der neuen Fernsehsaison, soll das Geheimnis gelüftet werden.
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