Washington. . „Dallas“ ist nach über 20 Jahren wieder da – zunächst in den USA, im Herbst auch bei RTL. Die von den Alten vererbte Rivalität bildet den roten Faden im Neu-Aufguss der Saga um Neid, Sex, Gier und Macht, die alles in allem härter geworden ist, aber weniger lustig.

36 Minuten lang sagt er kein einziges Wort. Liegt im Lehnstuhl seines Altersheimes, stiert mit glasigen Augen seine stattlichen weißen Augenbrauen-Vogelnester an und hört ungerührt zu, wenn die anderen zu ihm kommen wie der Sündige zur Beichte. Dann das: J.R. Ewing ist doch nicht tot. Er lebt, grinst wie angeknipst sein gehässiges Geißbock-Grinsen und sagt über seinen schlafmützig-gutmütigen Bruder, was zu sagen ist: „Bobby war schon immer ein Idiot.“

Die kleine Szene aus der ersten „Dallas“-Folge nach über 20 Jahren, die am Dienstagabend auf dem US-Sender TNT zu sehen war und demnächst fürs deutsche Publikum von RTL zweitverwurstet werden soll, geht älteren Wegbegleitern der Cowboy-Ilias aus Texas runter wie Öl.

Ob jüngere Fernseh-Semester auch so ungehindert in das Comeback einer der erfolgreichsten Fernseh-Serien aller Zeiten gleiten werden, ist ungewiss.

Die gleiche majestätische Film-Musik

Die Macher des Big-Brother-Vorläufers, der mit der gleichen majestätischen Film-Musik wie eh und je anfängt, haben einiges Geld und so manche Extra-Dose Make-Up in die Hand genommen, um die unvermeidbaren Wiedereingewöhnungsschwierigkeiten in die bestechende, erpresserische und partiell immer noch Bourbon aus Badewannen trinkende Ewing-Sippen-Hausgemeinschaft in Grenzen zu halten.

Mit Larry Hagman (J.R.), Patrick Duffy (Bobby), Linda Gray (Sue Ellen) und Charlene Tilton (Lucy) sind mindestes vier Ehren-Legionäre jener Southfork-Ranch-Urbesetzung am Start, die am 2. April 1978 auf dem amerikanischen Fernseh-Sender CBS zum ersten Mal Pack-schlägt-sich-Pack-verträgt-sich spielte. Und ab 1981 den Dienstagabend der Deutschen eroberte.

Neid, Sex, Gier und Macht

Ihnen allen tischt das neue Drehbuch bewährte, abgehangene Dialogstrukturen auf, in denen man sich zwar schnell zurecht findet, aber auch sehr schnell einschlafen kann; auch wenn Sue Ellens sprachlos zuckende Mundwinkel inzwischen „trocken“ sind, auch wenn Bobby einen letalen Magentumor hat und auch so aussieht, auch wenn J.R. seine Amokläufe altersbedingt inzwischen mit dem Rollator zurücklegen muss.

Um jüngere Zielgruppen zu binden, haben die Autoren einen zeitgemäß klingenden Stellvertreterkrieg erfunden. Bobbys Sohn Christopher (Jesse Metcalfe) will nicht mehr nach Öl bohren wie Anno Tuck. Eisiges Methan-Hydrat ist sein Ding. Darüber skypt er regelmäßig mit chinesischen Wissenschaftler und verspricht seinem alten Herrn: „Ich kann mit alternativen Energien aus Ewing den nächsten Riesen à la Exxon machen.“ John Ross (Josh Henderson), durchtriebener Spross von Chefekel J.R., setzt dagegen mitten auf der Southfork Ranch aufs herkömmliche Drillen nach der schmierigen Brühe.

Rivalität wurde von den Alten vererbt

Die von den Alten vererbte Rivalität bildet den roten Faden im Neu-Aufguss der Saga um Neid, Sex, Gier und Macht, die alles in allem härter geworden ist: mehr nackte Haut, mehr kriminelles Treiben, mehr humorfreie Prahlerei, mehr aberwitzige Schnitte und Erzähl-Kapriolen, weniger zu lachen.

Es sei denn J.R., formvollendet im Jackett und mit Stetson-Hut, hat einen seiner vitriolgetränkten Auftritte. Dann kommt wirklich Leben in die Gummizelle namens Southfork. Wie lange? Den ersten Kritiken der großen amerikanischen Zeitungen nach zu urteilen, nicht so lange. „Kalter Kaffee“, „Lichtjahre zu spät“, „ölige Langeweile“ lauten die zahmeren Kritiken. Larry Hagman, inzwischen über 80, hat dagegen neulich in einem Interview festgestellt, „Dallas“ sei zeitlos. Begründung: Arschlöcher gebe es immer. Recht hat er.