München. Deutschland wird Europameister. Und schlägt natürlich die Spanier im Finale. Kleine Spaß-Wetten im Freundeskreis offenbaren zu EM-Zeiten wahre Fußballexperten. Sobald es um Geld geht, kann die Tippfreude aber auch schnell in Frust umschlagen.
Millionen Deutsche hat sie wieder gepackt, die Lust an der kleinen Sportwette nebenbei zur Fußball-Europameisterschaft. Kaum eine Firma, kaum ein Stammtisch oder Freundeskreis, in dem nicht jetzt noch kurz vor Turnierbeginn auf Favoriten, Tore, Ergebnisse gesetzt werden kann. Wird nur zum Spaß gewettet, sind Enttäuschungen ja noch verkraftbar. Geht es um Geld und läuft etwas schief, ist auch in privaten Tippgemeinschaften schnell Schluss mit lustig. Vor allem, wenn größere Summen auf dem Spiel stehen wie in vielen Großunternehmen, wo manchmal hunderte Kollegen ihr Portemonnaie zücken und dem "Spielleiter" ihre Einsätze anvertrauen. Was dann?
Der Gesetzgeber hält sich aus privaten Wetten raus
"Tipp-Teams sollten wissen: Private Sportwetten basieren auf Vertrauen", betont Tatjana Halm, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Bayern. Rechnet der "Kassenwart" etwa nicht richtig ab oder tauchen andere Probleme auf, stehen die Teilnehmer rein rechtlich betrachtet auf verlorenem Posten. "Pech gehabt, gerichtlich ist das nicht überprüfbar", sagt Juristin Halm. Grundsätzlich hält sich der Gesetzgeber aus solchen Streitigkeiten raus. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 762 BGB) ist ein Tippspiel unter Bekannten zwar auch eine Form von Vertrag, aber ohne verbindliche Wirkung, wegen des Spiel- und Wettcharakters.
Gewinn nicht einklagbar
Das bedeutet konkret für Wett- und Tippkreise: Ein privater Spielgewinn kann gerichtlich nicht eingefordert werden. Man muss immer darauf vertrauen, dass sich alle Beteiligten an die vereinbarten Spielregeln halten. Wettet also Hans mit Andrea um 50 Euro, dass die deutsche Nationalelf das Auftaktspiel gegen Portugal mit 2:0 verliert und liegt mit seinem Tipp goldrichtig, müsste Andrea noch lange nicht ihre Wettschuld einlösen. Dazu ist sie zumindest rechtlich nicht verpflichtet, wie Halm erläutert. Selbst wenn Hans die Wette klar gewonnen hat. Aus Paragraf 762 BGB habe sich auch der bekannte Spruch "Spielschulden sind Ehrenschulden" entwickelt, erklärt Halm.
Noch enttäuschender kann es sein, wenn die Spieler ihren Wetteinsatz in einen gemeinsamen Pott gelegt haben und es dann zu Unstimmigkeiten kommt. Wenn Hans beispielsweise davon ausgeht, dass der Gewinn ihm allein zusteht, ihn nimmt und die übrigen Kollegen leer ausgehen.
Wer das Geld verwahrt, haftet
Wer um Geld spielt, sollte daher wissen: Sobald der Einsatz platziert ist, lässt er sich nicht mehr zurückfordern. Einmal ausgezahlte Gewinne dürfen behalten werden. Im Beispielfall hieße die bittere Erkenntnis: Hans müsste das Geld aus dem Pott tatsächlich nicht zurückzahlen. Wer sich bei seinem Mit-"Tipper" nicht mit einem Appell ans Ehrgefühl durchsetzen kann, muss seinen Geldeinsatz in den Wind schreiben. Einklagbar ist er jedenfalls nicht.
Ganz anders sieht es aber bei veruntreuten Spielgeldern aus: Hat ein Freund oder Kollege die Verwaltung der Einsätze übernommen und die anvertraute Summe in die eigene Tasche manövriert, kann er dafür juristisch belangt werden. Das betroffene Tipp-Team müsste den untreuen Kumpel dann anzeigen. Aber: Wird dem "Kassenwart" der Jackpot zur Verwahrung mitgegeben, der Mann dann aber auf dem Heimweg bestohlen, muss er für den Verlust nicht haften - solange ihm nicht nachgewiesen werden kann, dass er grob fahrlässig mit dem Geld umging.
Finger weg von anonymen Tipp-Kumpels
Besondere Vorsicht sei bei Spiel- und Wettanbietern im Internet geboten, betont Halm. Unter dem Deckmäntelchen privater EM-Tippgemeinschaften werde in Zeiten von WM- und EM-Euphorie immer wieder versucht, allzu vertrauensselige Fußballfans über den Tisch zu ziehen. Wer sein Geld fremden "Kumpels" anvertraue, müsse damit rechnen, dass es am Ende verloren ist. "Finger weg, wenn EM-Wetten anonym angeboten werden oder über Anbieter im Ausland", warnt Halm.
"Man sollte die Menschen gut kennen, mit denen man einen Tippkreis eingeht", sagt die Münchner Juristin. Wer allzu umfangreiche Geldeinsätze vermeide und einen vertrauenswürdigen Kassenwart wähle, "der kann beim EM-Tippspiel echt Spaß haben".
Der Chef kann übrigens nichts gegen Tippgemeinschaften im Betrieb unternehmen. Solange das Wettfieber seiner Angestellten die Arbeitsleistung nicht beeinträchtigt, bleibt es deren kleines Privatvergnügen. (dapd)