Essen. . Hans Leyendecker ,„Süddeutschen Zeitung“, will den Preis nicht mit Kollegen der „Bild“ teilen. Er entfacht eine Diskussion über den Boulevard, Qualitätsjournalismus und Sippenhaft.

Eklat beim begehrten Henri-Nannen-Preis: Hans Leyendecker, einer der renommiertesten investigativen Journalisten Deutschlands, verschmäht den „Henri“. Er will sich die Auszeichnung nicht mit Kollegen der „Bild“-Zeitung teilen.

Ein kurzer Auftritt Leyendeckers mit langen Folgen. Denn seither wird in den Internetforen heftig diskutiert. Über die Frage, ob ein Boulevardblatt Qualitätsjournalismus kann. Und, etwas abstrus: Selbst wenn es kann, ob ein Boulevardblatt mit diesem für Seriosität stehenden Preis ausgezeichnet werden darf.

Die „Bild“-Autoren Martin Heidemanns und Nikolaus Harbusch sollten den „Henri“ für den Beitrag „Wirbel um Privatkredit“ in der Affäre um Ex-Bundespräsident Christian Wulff bekommen. Für die Jury, so begründete Helmut Markwort (Focus) die Auszeichnung, sei dies „ein Fall von größtmöglicher Fallhöhe“ und „der Superlativ einer gesellschaftlichen Wirkung“. Die Enthüllungen hätten zum größten Skandal des vergangenen Jahres und zum Rücktritt des Bundespräsidenten geführt.

Leyendecker und seine Kollegen Klaus Ott und Nicolas Richter von der „Süddeutschen Zeitung“ sollten ausgezeichnet werden, weil sie die „Formel-1-Affäre“ bei der BayernLB aufgedeckt hatten.

„Drecks- und Lügenblatt“

Etwas diffus äußert sich Leyendecker, der Preisträger von 2007, eingangs. Wichtig sei der Preis, aber auch ein „Kulturbruch“. Er und seine Kollegen wollten ihn sich nicht mit der „Bild“ teilen. Ein paar Stunden später wetterte der 63-Jährige gegenüber dem „Tagesspiegel“: „Die ,Bild’ ist ein Drecksblatt und ein Lügenblatt.“ Sie verfolge und bedränge Menschen. Durch den Nannen-Preis erfahre die „Bild“ „eine unerträgliche Aufwertung“. Fordert Leyendecker eine Sippenhaft für hervorragend arbeitende Journalisten? Markwort jedenfalls nannte diese Reaktion „hochmütig“ und „kleinkariert“.

„netzwerk recherche“ fordert eine neue Jury

Das „netzwerk recherche“, der Verein investigativer Journalisten in Deutschland, hingegen kritisiert die Vergabe des Henri-Nannen-Preises. an „Bild“. Die Aufdeckung der Hintergründe um den Privatkredit des Bundespräsidenten Christian Wulff durch „Bild“ sei verdienstvoll und richtig. Dennoch sei sie nicht die beste investigative Leistung des vergangenen Jahres.

Das Statement ist weder überraschend noch verwunderlich: Hans Leyendecker ist Mitbegründer des Vereins. Die weitere Forderung, die Jury, die sich zum größten Teil aus Chefredakteuren, (unter anderem auch dem WAZ-Chef Ulrich Reitz) rekrutiert, durch investigativ arbeitende Journalisten und Ex-Preisträger besetzen zu lassen, bekommt in diesem Zusammenhang ein Geschmäckle. Sie wirkt unsouverän und eitel. Und hat einen gewissen Wiederholungscharakter.

Umstrittene Entscheidung 2011

Es ist das zweite Jahr in Folge, dass die Nannen-Jury heftig von Leyendecker kritisiert wird. 2011 war der Reportage-Preis dem Spiegel-Redakteur René Pfister nachträglich von der Jury aberkannt worden. Pfister hatte den bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) an seiner Modelleisenbahn beschrieben, ohne dies selbst gesehen zu haben. Die Entscheidung war umstritten, aber als einer der ersten forderte Leyendecker in der „Süddeutschen Zeitung“ den Rücktritt der Jury.