Essen. . Es ist ein Kreuz mit den Dokus. Selbst ARD und ZDF verstecken sie sorgsam. Winnetou, beispielsweise, muss nachmittags reiten. Das Pierre-Brice-Porträt im Ersten läuft Sonntag, 15.30 Uhr. Dennoch gibt es Hoffnung.

Medienkritiker Neil Postman hatte es vorausgesehen, 1985 schon, als in Deutschland des Zeitalter des privaten Fernsehens gerade erst begonnen hatte. Damals hatte er eine Kampfschrift veröffentlicht. Titel: „Wir amüsieren uns zu Tode“. Fakt ist: Alle Sender lieben Unterhaltung. Umgekehrt ist die Information das Stiefkind des Fernsehens. Selbst die Öffentlich-Rechtlichen tun sich schwer damit, ihrem gesetzlichen Auftrag zum Trotz. Ein Blick aufs Wochenend-Programm genügt.

Das Zweite bietet am Samstagnachmittag gerade mal drei Info-Formate. Das Erste, immerhin, sendet zwischen 15 Uhr und dem Beginn der „Sportschau“ um 17.30 Uhr einen bunten Info-Mix. Indes, der Samstagnachmittag ist notorisch zuschauerarm. Einkauf und Fußball sind starke Konkurrenz. Der zuschauerstarke Samstagabend jedoch gehört der Unterhaltung, bis tief in die Nacht hinein.

Lieblose Sendeplätze

Ähnlich sehen die Programm-Schemata am ebenfalls quotenschwachen Sonntagnachmittag aus. Das Zweite zeigt abgehangene Unterhaltung, das Erste offeriert mit „Ratgeber: Gesundheit“ und „W wie Wissen“ solides Info-Schwarzbrot. An diesem Wochenende verblüfft allerdings, dass die ARD ausgerechnet ein Porträt eines überaus bekannten Zeitgenossen lieblos versendet: Die „Legenden“- Reihe wartet um 15 (!) Uhr mit Pierre Brice auf, Niedrigstquote garantiert.

Doku, Reportage, Magazin – alles Quoten-Gift? Keineswegs. Das ZDF hat mit der Reihe „Terra X“ ein 19.30-Uhr-Format etabliert, das mit Populärwissenschaft und Hochglanz-Optik so viel Publikum lockt wie mancher Krimi nicht. Mehr noch: „Terra X“ ist inzwischen so etwas wie der „Tatort“ unter den Dokus. Das Publikum gibt der Reihe einen Vertrauensvorschuss, selbst wenn eine Episode die Erwartungen nicht erfüllt.

Talk essen Doku auf

Und das Erste? Zeitweilig galt, frei nach Rainer Werner Fassbinder, die Devise: Talk essen Doku auf. Mit dem Amtsantritt von Günther Jauch zog Frank Plasbergs „hart, aber fair“ vom Mittwoch auf den Montag um. Dafür opferte die ARD einen Doku-Sendeplatz. Andererseits gibt es Hoffnung, dass Dokus nicht zwangsläufig nachmittags oder nachts versenkt werden. In diesem Winter gelang der ARD der Nachweis, dass auch ein Massenpublikum jenseits von Katastrophen wie Fukushima gern informiert wird, selbst zur besten Sendezeit. Der „Markencheck“ am Montag, 20.15 Uhr, war derart erfolgreich, dass die Quoten durchaus das Niveau von Serien wie „Der Alte“ erreichten. Selbst Plasberg profitierte im Anschluss daran. Kein Wunder, dass die ARD bereits im Mai nachlegt.

WDR-Rundfunkrat probte den Aufstand

Reiz-Themen ziehen. Das hat auch das ZDF bemerkt. Deshalb will Intendant Thomas Bellut die dienstäglichen Seicht-Dokus des Senders mittelfristig durch knallhart Recherchiertes ersetzen.

Bei den Talks hingegen scheint ein Umdenken einzusetzen. Bellut setzt weiter allein auf Maybrit Illner, und den ARD-Intendanten dämmert allmählich, dass weniger mehr sein kann.

Der WDR-Rundfunkrat um Ruth Hieronymi hatte erst kürzlich den Aufstand gegen das Dauer-Gequassel im Ersten geprobt. Nur eines steht noch aus: ein Beschluss der ARD-Granden.