Köln. . Die blinde Sängerin Joana Zimmer trainiert nur nach Worten. „Vormachen bringt ja nichts“, sagt ihr Tanzpartner Christian Polanc. Eine Tanzshow hat bei ihr ein bisschen was von Kamikaze, aber wenn sie es schafft, „dann zeigt man doch auch, dass Blinde viel mehr können als man denkt.“ Sie trainiert. Sie will es beweisen.

Manchmal staunt man über Füße. Diese Füße zum Beispiel: schmale, zarte Füße. Füße, die in Riemchenschuhe Größe 37 passen und mit dem abgeperlten pinken Nagellack ein bisschen wie Pippi Langstrumpf rüberkommen.

Joana Zimmer wird quer durchs Kölner Coloneum gelotst. Letzter Tag vor ihrem nächsten Auftritt bei „Let’s dance“ (RTL, 20.15 Uhr), wo sie heute bei einem Paso doble die Konkurrenz schlagen soll. Sie ist die junge Frau, die immer mit einer Augenbinde in Kleiderfarbe tanzt. Sie ist blind. „Ich hab mal versucht, meine Sonnenbrille aufzulassen, aber die fliegt mir dann runter.“ Während des Wechsels von Brille zur Binde sieht man für einen kurzen Moment ihr ganzes Gesicht. Ihre Augen sind geschlossen, die Wimpern wackeln.

Rizinusöl auf die Fußsohlen - ein alter Tänzertrick

Joana Zimmer (28) beschäftigt sich heute nicht mit ihren Augen. Im Mittelpunkt stehen ihre Füße. Alles dreht sich um die Schuhe, die richtigen, die jetzt gerade weg sind und geholt werden müssen. Während sie wartet, schmiert sie sich Rizinusöl auf die Fußsohlen. „Alter Tänzertrick“, sagt sie, wodurch Fuß und Schuh eine optimale Verbindung eingehen. Ein junger Mann hebt sie nun über die Rampe. Christian Polanc, der Profi. Ihr Tanzpartner.

Man hört den Regisseur, der seine gut gelaunte Stimme durchs Let’s-dance-Studio donnern lässt: „Gude Middach! Und ab die Musi!“

In den Proben geht nichts ohne Worte

Licht aus, Licht an. Joana Zimmer sitzt in einem Ballkleid in Gelb auf dem Parkett, während Christian, der Tanzprofi, im Paso doble-Stakkato auf sie zumarschiert. Jetzt soll sie auch tanzen: „Eins, Schritt, lauf, Schritt, tief. Tiefer!!!“

In den Proben geht nichts ohne Worte. Vormachen nützt nichts, sagt Polanc. „Ich packe ihr manchmal einfach an die Füße, damit sie weiß, wie die gestellt werden müssen.“ Sie lacht ein bisschen. Ob sie das gut findet? Man weiß es nicht. Ihre Augen sind verdeckt. Man sieht ja nur den Mund.

Jetzt läuft die Musik. „I got the Power.“ Beim Tanzen geht es um Takt, um Rhythmus, um Gefühl. Die Jury wirft ihr bisweilen vor, sie tanze zu starr. „Pfff“, macht sie da. Erzählt, dass sie wütend werden kann. Eine Woche lang jeden Tag von zehn bis 16 Uhr wird geübt. „Überall gilt, dass man als Blinde etwas länger brauchen darf, das ist sogar gesetzlich geregelt“ – und Christian Polanc, ein alter Let’s-dance-Hase, sagt: „Bei der Jury hat man den Eindruck, dass die auf jeden Fall vermeiden wollen, dass das Gefühl vom Blindenbonus aufkommt. Die sind strenger.“

Blind ist sie von Geburt an. Sie machte ihr Abi an einer Blindenschule. Sie ist Sängerin. Alles ganz normal, sagt sie. Man könnte meinen, dass ihr das Gefrage nach der Blindheit auf den Wecker geht. Ja, wenn da nicht noch diese Mission in ihr stecken würde. Eine Tanzshow hat bei ihr ein bisschen was von Kamikaze, aber wenn sie es schafft, „dann zeigt man doch auch, dass Blinde viel mehr können als man denkt.“ Sie trainiert. Sie will es beweisen. In der Garderobe sagt ihre Freundin, dass es Zeit wird für eine blinde Siegerin. Joana Zimmer nickt.

Hand am Hals

Tänze mit schnellen Orientierungswechseln sind Gift für sie. Der Paso doble ist so einer. Sie beißt sich durch. Die Füße müssen trippeln, stehen, stampfen, der Körper muss sich stolz und verführerisch biegen. Polanc hat seine Hand an ihrem Hals. Er dirigiert sie. Er ist streng. Passt auf. Und als sie das Bein nicht hebt, weil sie Angst hat, auf den Saum zu treten, raunzt er ihr zu: „Scheiß auf das Kleid!“

Sie hört auch dieses Kommando. Und macht. Und tut. Was sie denkt, sieht man nicht. Die Augenbinde verdeckt viel vom Gesicht. Aber ihre Füße arbeiten entschlossen. Schritt. Schritt. Seit und Schluss.