Essen. Wie würde Thomas Gottschalk in seiner Show auf das Aus im Ersten reagieren? Bissig? Weinerlich? Es kam anders. Schließlich endete sein Talk am Mittwochabend mit Anke Engelke und Fürstin Gloria mit einer verblüffenden Erkenntnis.
Der Abend danach. Wie würde Thomas Gottschalk in seiner eigenen Sendung auf das Aus der Show, das die ARD am Mittwoch verkündet hatte, reagieren? Würde er, wie der ebenfalls gescheiterte Harald Schmidt, Spott über seinen Sender ausgießen? Würde er sich, wie so oft, selbst bemitleiden? Es kam anders. „Gottschalk Live“ am Mittwochabend endete mit einem verblüffenden Eingeständnis.
Die Diskussionen der vergangenen Tage hatten Spuren hinterlassen bei dem Show-Dino. Immer öfter und, für ihn schlimmer noch, immer heftiger war Kritik auf den 61-jährigen Moderator eingeprasselt. Thomas Gottschalk, er hatte den Zuschauer-Trend nicht wenden können. Drei Monate nach seinem Amtsantritt als Vorabend-Talker verharrten die Quoten auf einem Niveau von Kleinsendern wie Vox oder Kabel 1. Kein Wunder, dass die ARD-Vorsitzende Monika Piel vom Sonderkündigungsrecht der öffentlich-rechtlichen Sendergruppe Gebrauch machte. Am Mittwochmittag hatte sie verbreitet, dass „Gottschalk Live“ am 7. Juni endet.
Gespräche mit dem langen Blonden
Zuvor hatte es Gespräche mit dem langen Blonden gegeben. Das Ende des Vorabend-Talks ließ sich nicht vermeiden, aber der Entertainer, so wollte es Piel, sollte möglichst wenig Blessuren abkriegen. So hatte ihn die WDR-Intendanten beizeiten eingeweiht und an einer leidlich einvernehmlichen Lösung gebastelt.
Angegriffen wirkte Gottschalk dennoch. Mit heiserer, belegter Stimme begrüßte der ehemalige Quoten-Gott seine Gäste. Anke Engelke wie Fürstin Gloria von Thurn und Taxis, er kennt sie beide näher. Nicht der Gastgeber sorgte sich ums Wohlergehen seiner Gäste, die Gäste waren vielmehr dafür zuständig, dass sich der angeschlagene Thomas Gottschalk sicher fühlen konnte.
Auf Nummer sicher gegangen
Tatsächlich war er in vieler Hinsicht auf Nummer sicher gegangen. Gottschalk war gut vorbereitet, gelegentliche Einblendung von Nachrichten-Portalen offenbarten einen Schimmer der ursprünglichen Idee, Fernsehen und Internet miteinander zu verbinden, und die Aufzeichnung der Sendung sollte allzu schlimme dramaturgische Brüche verhindern.
Das Gespräch mit den beiden Damen über die Herdprämie plätscherte zunächst auf gehobenem Stammtisch-Niveau dahin, bis Anke Engelke ihrem Gastgeber eine Vorlage lieferte, seinen erzwungenen Abschied zu kommentieren. Männer, sagte die vielseitige TV-Frau, beharrten zu sehr auf ihren Machtpositionen. Gottschalk sah den sprichwörtlichen Ball auf dem Elfmeterpunkt liegen – und verwandelte. „Ich gebe meinen Platz demnächst frei“, witzelte er. Im Geplänkel mit Anke Engelke ließ Gottschalk eine Fähigkeit aufblitzen, die in den letzten Monaten unter einer meterdicken Schicht Selbstmitleid verborgen war: Selbstironie. Die schräge Diskussion um Frauen-Quote und Vorabend-Talk beendete Gottschalk mit der launigen Feststellung: „Ich gehe hier nur, wenn eine Frau kommt.“
Engelke ritt auf Gottschalks Fauxpas herum
Das war aber noch nicht alles. Engelke ließ es sich nicht entgehen, Gottschalk dafür aufziehen, dass er sie bei ihrem ersten Auftritt in seiner Show mit „Annette“ angesprochen hatte. Gottschalk fühlte sich ertappt und rechtfertigte sich langatmig. Engelke wiederum gab ihm später verbal noch einen hinter die Löffel. Sie könne, sagte die Comedienne, in ihrer Sat.1-Show „Ladykracher“ unheimlich viele Rollen spielen: „Da kann ich auch Annette sein.“ Treffer.
Unterm Strich bestätigte die Ausgabe am Mittwochabend, was Gottschalk eben nicht beherrscht: die kleine Form, den zugespitzten Mini-Talk, bei dem die Moderation punktgenau sitzt. Trotz Aufzeichnung wirkten die Übergänge zu Werbung und Wetter hölzern, obendrein unterstützt durch die Old-School-Geste des ausgestreckten Zeigefingers mit der Bleiben-Sie-dran-Botschaft.
Ein seltener Moment ungeschminkter Wahrheit
Auch die Dramaturgie des Formats ist unstimmig. Zwischen Wetter und Börse hat Gottschalk stets kaum eine Minute Zeit, noch etwas los zu werden. Er flüchtete sich ins schnarchlangweilige Spiel „Kurze Frage, kurze Antwort“.
Zum Schluss beeindruckte Gottschalk mit einem seltenen Moment ungeschminkter Offenheit: „Wir beenden diese Sendung mit einer gewissen Ratlosigkeit.“ Der Satz hätte von Monika Piel stammen können.