Oslo. Anders Behring Breivik muss sich seit Montag vor Gericht für die Anschläge von Oslo und Utöya vom vergangenen Sommer verantworten. Kernfrage des Verfahrens gegen den geständigen Attentäter wird sein, ob der 33-Jährige bei seinen Taten zurechnungsfähig war. Breivik selbst sieht sich als verantwortlich, aber nicht schuldig an.

Knapp neun Monate nach den Anschlägen von Oslo und Utöya mit 77 Toten beginnt am Montag der Prozess gegen den geständigen Attentäter Anders Behring Breivik. Der 33-jährige Rechtsextremist steckte im Gerichtssaal zum Gruß seinen rechten Arm mit geballter Faust in die Höhe. Er erkenne die norwegische Gerichte nicht an, sagte Breivik zum Prozessauftakt. Sie hätten ihr Mandat von Parteien erhalten, die den Multikulturalismus förderten.

Breivik plädierte zum Prozessbeginn auf nicht schuldig und berief sich auf eine Notwehrsituation. Er wiederholte sein Geständnis, am 22. Juli vergangenen Jahres 77 Menschen getötet zu haben. Im juristischen Sinne halte er sich allerdings für nicht schuldig. "Ich gebe die Taten zu, aber nicht die juristische Schuld", sagte Breivik. Er habe Norwegen vor einer Islamisierung schützen wollen, hatte der 33-Jährige zuvor erklärt.

Ein Prozess als Propaganda-Plattform

Es wird erwartet, dass Breivik die Verhandlung auch weiter als Plattform nutzen wird, um seine ausländerfeindliche Ideologie zu verbreiten. In einem 1500-Seiten Manifest im Internet hatte er geschrieben, dass mit einer Festnahme die "Phase der Propaganda" beginne. "Ihre Verhandlung bietet Ihnen eine weltweite Bühne", hieß es weiter.

Mit versteinerter Mine und ohne erkennbare Regung verfolgte Breivik am Montag, wie Staatsanwältin Inga Bejer Engh die Anklageschrift gegen ihn verlas. Engh beschrieb, wie jedes einzelne Opfer bei dem Doppelanschlag ums Leben kam.

Breivik bedauert, "nicht weitergegangen zu sein"

Breiviks Anwalt hatte zuvor angekündigt, sein Mandant werde vor Gericht bedauern, "nicht weitergegangen zu sein". In dem auf zehn Wochen angesetzten Verfahren in der norwegischen Hauptstadt wird es vor allem darum gehen, ob der 33-Jährige zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig war und damit wegen "Terrorakten" zu der in Norwegen geltenden Höchststrafe von 21 Jahren verurteilt werden kann.

Kurz vor Prozessbeginn hat ein neues psychiatrisches Gutachten den Angeklagten als voll zurechnungsfähig eingestuft. Im ersten Gutachten war Behring Breivik wegen "paranoider Schizophrenie" für unzurechnungsfähig erklärt worden. Folgen die zwei Berufs- und drei Laienrichter dieser ersten Einschätzung, würde Behring Breivik in eine geschlossene psychiatrische Klinik eingewiesen.

Verteidigung wird auf unschuldig plädieren - aus "rein technischen Gründen"

Behring Breiviks Verteidiger um den Anwalt Geir Lippestad sehen sich gezwungen, auf Wunsch ihres Mandanten für Zurechnungsfähigkeit zu plädieren. Lippestad machte deutlich, dass er den Gedanken seines Mandanten kaum folgen könne. Daher werde er aus "rein technischen" Gründen auf unschuldig plädieren, selbst wenn dies chancenlos sei. Behring Breivik erklärte, in einer geschlossenen Anstalt zu landen, wäre "schlimmer als der Tod".

Behring Breivik ist geständig, bei dem Doppelanschlag mit einer Autobombe im Regierungsviertel der norwegischen Hauptstadt Oslo acht und mit zwei Schusswaffen auf der Insel Utöya 69 weitere Menschen, vor allem Teenager, getötet zu haben. Er erklärte seine Taten für "grausam, aber notwendig", um die Aufmerksamkeit auf seinen Kampf gegen die "muslimische Invasion" nach Europa zu lenken, über den er ein 1500-Seiten-Manifest im Internet verbreitete.

150 Zeugen, 770 Nebenkläger, 800 Reporter

Das Urteil wird im Juli, also ungefähr ein Jahr nach der Tat vom 22. Juli 2011, erwartet. Das Gericht will rund 150 Zeugen hören. Als Nebenkläger treten rund 770 Überlebende und Hinterbliebene auf. Für den Prozess wurden 800 Reporter akkreditiert. Fernsehübertragungen aus dem Gerichtssaal sind nicht zulässig. (afp)