Brüssel. . Auch am Tag vier nach der Tötung eines Kollegen geht der Streik der Brüsseler Verkehrsbetriebe weiter: Stillstand in Belgiens Hauptstadt. Und das Land diskutiert, wie man der grassierenden Gewalt Herr wird.
Alle Brüsseler Busse, Metros und Straßenbahnen sind auch am vierten Tag nach dem tödlichen Angriff auf einen Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe in den Depots geblieben. Trotz Zusicherungen der Regierung zu neuen Sicherheitsmaßnahmen setzten die Gewerkschaften ihren Streik am Montag fort. „Nicht eine einzige U-Bahn oder Straßenbahn fährt, auch keine Busse“, teilte die Verkehrsgesellschaft STIB mit.
Am Ostermontag hatten hunderte Angestellte des Brüsseler Nahverkehrs mit einem Schweigemarsch ihres verstorbenen Kollegen gedacht. 1000 Menschen liefen eine Stunde lang schweigend durch Brüssel. Einige hielten weiße Luftballons in der Hand. Der 56-jährige Kontrolleur Iliaz T. war am Samstag Morgen niedergeschlagen und tödlich verletzt worden. Seitdem stehen Busse, Straßen- und U-Bahnen in der belgischen Hauptstadt still. In einigen anderen Städten des Landes ruhte der öffentliche Nahverkehr am Montag um 10.00 Uhr für zwei Gedenkminuten.
Der mutmaßliche Täter stellte sich der Polizei
Der mutmaßliche Täter stellte sich laut Medienberichten mittlerweile der Polizei. Er sei laut seinen Anwälten „tief geschockt“ und bedauere den Vorfall. Der 28-jährige Alexandre V. soll alkoholisiert gewesen sein, als er den Familienvater am Samstag morgen mit einem Faustschlag niederstreckte. Der junge Mann, der der Polizei bereits wegen Verkehrsvergehen bekannt gewesen sei, habe Iliaz T. nicht töten wollen, hieß es.
Iliaz T. sollte am Samstag morgen einen Unfall protokollieren. Ein Bus und ein Auto waren zusammengestoßen. Daraufhin rief der Fahrer des Autos, der zuvor eine Diskothek besucht und Alkohol getrunken hatte, seinen Bekannten Alexandre V. zum Unfallort, wie die Zeitung „La Libre Belgique“ meldet. Erst hätten sich der verletzte Auto- und der Busfahrer gestritten, dann der junge Mann und Iliaz T.
Der Faustschlag hatte tödliche Wirkung
Der Kontrolleur, der seit fast dreißig Jahren bei dem Verkehrsbetrieb arbeitete, habe aber nicht verhandeln wollen. Das habe den 28-Jährigen erzürnt. „Er hat ihm nur einen Faustschlag gegeben, der Kontrolleur ist daraufhin gefallen und mit seinem Kopf auf den Boden geknallt“, zitiert die Zeitung Zeugen. Dann sei der junge Mann geflüchtet.
Die Tat löste in Belgien Abscheu und Empörung aus. Belgiens Premierminister Elio Di Rupo sagte: „Gewalt hat keinen Platz in unserer Gesellschaft.“ Jeder müsse in einem sicheren Umfeld leben und arbeiten können. Brüssels Transportministerin Brigitte Grouwels sagte: „Der Anstieg der Aggressivität ist ein gesellschaftliches Phänomen, das jeden angeht.“ Die Menschen müssten wieder lernen, sich im Alltag höflich und fair zu verhalten.
Das Land diskutiert über Gegenmaßnahmen
Die Politikerin hält die Zahl der Polizisten in den Brüsseler U-Bahn-Stationen für unzureichend. Derzeit sollen 120 Polizisten an den 69 Haltestellen für Recht und Ordnung sorgen. Auch Gewerkschafter forderten mehr Sicherheitspersonal.
Aus Sicht des Sicherheitsexperten Brice de Ruyver reicht es jedoch nicht aus, lediglich die Zahl der Polizisten zu erhöhen. „Das ist kaum machbar und bezahlbar“, sagte der Strafrecht-Professor von der Universität Gent. Wichtig sei, dass Täter aufgespürt und bestraft würden. In Belgien stieg die Zahl der Aggressionsdelikte von 2003 bis 2009 laut der Zeitung „De Morgen“ um 15 Prozent auf jährlich 115.000.
Die Beerdigung ist am Donnerstag
Iliaz T. soll voraussichtlich am Donnerstag zu Grabe getragen werden. Die sozialistische Gewerkschaft ACOD Spoor schlug vor, dass Belgiens öffentlicher Nahverkehr während der Beerdigung stillsteht. Diese Forderung sehen andere Gewerkschaften jedoch kritisch.
mit dapd