Brüssel.. 22 belgische Kinder zwischen zehn und zwölf Jahren sind bei dem Busunglück in einem Schweizer Tunnel gestorben: Einige Eltern wissen immer noch nicht, ob ihr Kind dabei war. Ganz Belgien ist erschüttert. Die Ursache des Unfalls ist den Verantwortlichen immer noch ein Rätsel.

Heute sollten die Kinder zurückkommen nach Heverlee, gesund, munter und guter Dinge nach einer Woche Ski-Urlaub in der Schweiz. Gerade rechtzeitig zum Einzug des Frühlings in der belgischen Heimat. Doch viele der Jungen und Mädchen, die an diesem Tag den roten Ziegelbau der Schule St. Lambertus betreten, weinen: Ihre Schulkameraden sind nicht da. Einige werden sie nie wiedersehen. Die Kinder sind nicht gekommen. Es ist der traurigste Tag in Heverlee.

Es ist der traurigste Tage in Lommel, eine halbe Autostunde weiter nordwestlich. Auch dort, an der t’Stekske-Grundschule, herrschen an diesem Morgen Trauer, Verzweiflung und bange Sorge Weinende Väter und Mütter, die von Polizisten mit versteinerten Minen durch die Absperrungen geleitet werden. Fassungslose Betreuer und Offizielle, die selbst Mühe haben, die furchtbaren Nachrichten aus der Schweiz zu verarbeiten. Der Bus mit den Kindern – darunter zehn mit niederländischem, eines mit deutschem, eines mit polnischem Pass - ist in der Nacht in einem Alpen-Tunnel verunglückt, 28 Tote, 24 Verletzte, einige schwer. Unter den Toten sind 22 Kinder, zehn- bis zwölfjährige Schüler aus Lommel und Heverlee. Laut der Schweizer Zeitung "Tagesanzeiger" starb auch ein Deutscher.

UnglückEinige Eltern wissen immer noch nicht, was aus ihrem Kind geworden ist

Das ist der vorläufige Stand an diesem Morgen, und das Schlimmste: Einige Eltern wissen immer noch nicht, was aus ihrem Kind geworden ist. Verletzt? Unversehrt? Tot? Aus Heverlee, einem Städtchen südlich von Löwen, saßen 24 Schüler und Schülerinnnen im Bus. 16 von ihnen haben im Laufe der Nacht mit den Eltern zu Hause telefonieren können. Die Familien der übrigen acht schweben auch am Tag danach in entsetzlicher Ungewissheit. “Wir wissen nichts”, sagt unter Tränen eine Frau, deren Patenkind unter den Verunglückten ist.

Noch bedrückender ist die Lage in Lommel, das beim niederländischen Eindhoven auf der belgischen Seite der Grenze liegt. Die 22 Kinder der Grundschule t’Stekske saßen offenbar im vorderen Teil des Unglücksbusses. Nur von Fünfen haben die Angehörigen die erlösende Rückmeldung aus der Schweiz bekommen. Die vier Betreuer, je zwei aus Lommel und Heverlee, sind tot, abenso wie die beiden Busfahrer.

Aber es ist vor allem das Schicksal der Kinder, das an diesem Tag das Königreich zutiefst verstört. Seit der Mädchenschänder Dutroux Ende der 1990er Jahre sein Unwesen trieb, hat kein Ereignis die Menschen so aufgewühlt. “Es ist ein tragischer Tag für ganz Belgien”, sagt Premierminister Elio di Rupo. Sein Vorvorgänger Guy Verhofstadt erklärt, er habe “mit gebrochenem Herzen” von der Tragödie erfahren.

Wie es zu dem Unglück kommen konnte, ist den Verantwortlichen ein Rätsel

Aus ganz Europa treffen Beileidsaddressen ein, in Bern und im Straßburger Europa-Parlament erheben sich die Abgeordneten zu einer Schweigeminute. Unterdessen versuchen die Belgier, vom Dorf-Polizisten bis zum König, den Angehörigen so gut es geht Beistand zu leisten. Schon in den beiden Schulen werden sie psychologisch betreut. In Heverlee spendet Erzbischof André Joseph Léonard den Familien Trost, mehr durch Anwesenheit als durch das, was er zu sagen hat: “Für ein solches Drama gibt es keine Worte.”

Wie es zu dem Unglück kommen konnte, ist auch den Verantwortlichen in Belgien zunächst ein Rätsel. Die Busgesellschaft Toptours habe “einen ausgezeichneten Ruf”, sagt Verkehrsminister Melchior Wathelet. Die beiden Fahrer hätten die Ruhezeiten eingehalten.

Am späten Vormittag werden die Angehörigen per Bus zum Brüsseler Militärflughafen Melsbroek gebracht, wohin sich auch König Albert und Königin Paola begeben haben. Di Rupo und mehrere seiner Minister sind gleichfalls zur Stelle. Am frühen Nachmittag startet ein Airbus mit rund 70 Verwandten Richtung Genf. Di Rupo fliegt wenig später in einer anderen Maschine hinterher. Es ist seine traurigste Reise.