Trier. . 30 Jahre nach dem schäbigen Mord an Lolita Brieger kommt der Fall in Trier vor Gericht. Ein 50-jähriger Landwirt aus der Eifel muss sich verantworten. Doch der Bauer will schweigen.

30 Jahre hat Gisela Peter auf diesen Tag gewartet. Und nun ist er nach fünf Minuten zuende. Frau Peter trägt schwarz, als sei sie in Trauer, immer noch. Das Gesicht ist blass, unter den Augen hat sie rote Flecken. Wenn sie in die Kameras schaut und in die Mikros spricht, treten ihr Tränen in die Augen. Sie sagt immer dasselbe: „Sie war eine ganz liebe, eine ganz nette. Uns ist soviel gemeinsame Zeit genommen worden.“ Und, fast feierlich: „Es ist gut zu wissen, dass er endlich seiner gerechten Strafe zugeführt wird!“

„Er“ ist der Mann, der ihre kleine Schwester Lolita Brieger auf dem Gewissen haben soll. Seit gestern steht der Eifeler Landwirt Josef K. in Trier vor Gericht. Er soll vor 30 Jahren seine schwangere Freundin erdrosselt und auf einer Müllkippe vergraben haben.

Erlittler blieben hartnäckig - mehr als drei Jahrzehnte

Als „geradezu einmalig“ bezeichnete Staatsanwalt Ingo Hromada den Fall im Vorfeld: Da verschwindet in den 1980ern ein Mädchen aus der Eifel spurlos. Eine Familie zerbricht an Ungewissheit und Trauer. Über drei Jahrzehnte lassen die Ermittler nicht locker, durchforsten immer wieder die alten Akten. Schließlich lässt mit „XY“ eine fast ebenso alte ZDF-Reihe die letzten Tage der verschwunden Lolita wieder lebendig werden, bringt einen Zeugen dazu, den entscheidenden Hinweis auf den mutmaßlichen Täter und den Fundort der Leiche zu liefern. Das ist der Stoff, aus dem man einen Film drehen könnte, allerdings mit einem stummen Hauptdarsteller. Josef K., will auch vor Gericht schweigen, ließ er gestern über seine Anwälte verlauten. Nur zum Lebenslauf werde er aussagen.

Immerhin. Doch am ersten Verhandlungstag kommt es nicht dazu. Der psychologische Gutachter ist verhindert, daher wird die Verhandlung nach Verlesung der Anklage unterbrochen. Schuld oder Unschuld des 50-jährigen Landwirtschaftsmeisters, der verheiratet und später Vater eines kleinen Sohnes ist, müssen wohl durch einen Indizienprozess bewiesen werden. Die Anwesenheit des Psychologen ist zwingend.

Wenn es so ist, wie die Staatsanwaltschaft behauptet, hat sich vor 30 Jahren eine menschliche Tragödie in der abgelegenen Eifel abgespielt. Lolita Brieger aus dem Dorf Frauenkron stammt aus einer Arbeiterfamilie, hat fünf Geschwister, sie selbst arbeitet als Näherin. Das zierliche Mädchen trifft eines Frühlingstages mit dem Fahrrad auf der Landstraße die Liebe ihres Lebens. Josef, Sohn reicher Bauern aus dem Nachbarort Scheid, zwei Jahre älter, gut aussehend, charmant. Zunächst sind die beiden glücklich, so schildert es auch „Aktenzeichen XY“ im Sommer 2011.

Doch, so glaubt der Staatsanwalt, Josefs Vater ist über die Verbindung mehr als erbost. Er habe Lolita Brieger für „unwürdig“ gehalten, ein Mitglied der Familie K. zu werden.

Der Sohn fügt sich

Der Sohn hält den Druck nicht aus. Er fügt sich. Da ist die 18-Jährige bereits schwanger. Sie will das Kind haben. Das Paar streitet und versöhnt sich, immer heftiger und häufiger. Am 3. November 1982 soll Josef K. Schluss gemacht haben. Am nächsten Tag will Lolita Brieger ihn umstimmen. Da habe er, so die Anklage, sie in einen Schuppen gelockt, mit einem Draht erdrosselt, in Silofolie eingewickelt.

Zusammen mit einem Freund soll er die Leiche Tage später auf der Kippe verscharrt haben. In Sichtweite steht das Haus der Briegers. Schon damals gerät Josef K. ins Visier der Ermittler. Doch erst die späte Aussage eines früheren Kumpels, den das Gewissen drückt, bringt die ersehnte heiße Spur. Im Oktober 2011 kehren Einsatzkräfte das Innerste der renaturierten Müllhalde nach außen, finden Lolitas Überreste, Silofolie, Knochen mit verrostetem Draht. Seither sitzt Josef K. in Haft.

Gestern wurde er in Handschellen hereingeführt – ein untersetzter, gepflegter Mann mit vollem grauen Haar und Schnauz, dem man ansieht, wie attraktiv er als junger Mann einmal war.

„Ich kann gar nicht sagen, was ich empfinde, wenn ich ihn sehe“, sagt Gisela Peter. Sie hat Frauenkron verlassen und wohnt jetzt in Wittlich. Ihre Mutter Hildegard, 80, und Schwester Petra, die vor Gericht als Nebenklägerinnen auftreten, sind in Frauenkron geblieben. Was die älteste Tochter Petra umso schlimmer findet: „Sie hat jeden Tag auf die Grube geschaut, wo Lolita vergraben war. Wer schmeißt denn einen Menschen einfach auf so auf den Müll?“