Washington/Columbus.. Schutzengel für Angel: Zweijährige nach Tornado in den USA schwer verletzt, aber lebend geborgen – Eltern und beide Geschwister tot
Wenn Angel Babcock überleben sollte und einmal groß ist, wird der 2. März für sie jedes Mal Entsetzen und Erleichterung zugleich bedeuten. Das zweijährige Mädchen wurde am Freitag nach Abklingen der bisher größten Tornado-Welle in den USA in diesem Jahr mehrere Kilometer weit weg von ihrem Elternhaus entfernt schwer verletzt auf einem Feld geborgen.
Wie eine dem Fernsehsender NBC angeschlossene Station berichtet, grenzt der Fall an ein Wunder. Die Eltern, Joseph Babcock (21) und Moriah Brough (20), sowie Angels Bruder Jaydon (3) und die sieben Wochen alte Schwester Kendall kamen ums Leben, als der Tornado ihren Wohnwagen in der Kleinstadt New Pekin/Indiana erfasste.
Nachbarn der Babcocks, Marcia und Beverly Lanham, hatten der jungen Familie kurz vor der Tragödie angeboten, in ihren stabileren Wohnwagen zu wechseln. Zu spät. Vater, Mutter und die beiden Geschwister, so schilderte ein Freund der Lanhams gegenüber dem Sender “Wave”, lagen am Ende betend und einander an den Händen haltend auf dem Boden. Dann trug die Windhose sie davon.
Fast 40 Tote
Die ersten beiden großen Tornado-Wellen des Jahres haben bis Sonntag fast 40 Menschenleben gefordert und einen dreistelligen Milllionenschaden verursacht. Am stärksten betroffen waren Indiana und Kentucky, wo insgesamt 33 Tote zu beklagen sind und ganze Kleinstädte wie das 2000-Einwohner-Nest Marysville oder West Liberty binnen weniger Minuten dem Erdboben gleichgemacht wurden. Der nationale Wetterdienst der Vereinigten Staaten hatte bis Sonntag für mehr als ein Dutzend Bundesstaaten zwischen den Großen Seen und der Golfküste Tornado-Warnungen ausgesprochen. Zeitweilig war der Gefahren-Korridor, in dem fast 20 Millionen Menschen wohnen und in dem die Twister bevorzugt wüten, 1000 Meilen breit.
Die Szene, die der Fernsehsender CNN am Sonntag wiederholt zeigte, ließ Zuschauer noch Stunden danach frösteln. Mit der Handy-Kamera nahm eine Frau in Kentucky aus ihrem Auto die zum rabenschwarzen Ungetüm aufgeblasenen Wolken eines keine 200 Meter entfernten Tornados auf. Dann betete sie mit tränenerstickter Stimme: Möge Gott das Biest vorbeiziehen lassen und Haus und Hof verschonen. Ihr Flehen wurde erhört. Tausende andere Einwohner im Mittleren Westen hatten dieses Glück nicht.
Mit über 100 gemeldeten Tornados Ende Februar/Anfang März haben die Meteorologen einen alarmierenden Rekord zu analysieren. In der Regel treten die kaum zu kalkulierenden Windhosen gehäuft nur zwischen April und Juni auf. „So früh wie diesmal, das ist mir ein echtes Rätsel“, sagte ein Tornado-Experte aus Alabama dem Fernsehsender NBC.
Lkw wirbelten wie Spielzeug durch die Luft
Tornados kann man sich als rotierende Luftsäulen vorstellen, die vom Boden bis zu einer tiefhängenden Gewitterwolke reichen. Im Inneren des mit Wasser und Staub gefüllten „Rüssels“ eines Tornados können Windgeschwindigkeiten bis zu 500 Stundenkilometer entstehen. Grundvoraussetzung ist das Zusammentreffen von warmer feuchter Luft an der Erdoberfläche und das Eindringen trockener Luft in großer Höhe. In der „Tornado-Alley“ im Mittleren Westen der USA stammt die trockene Luft meist aus den Wüsten im Südwesten, die feuchte Luft aus dem Golf von Mexiko. Wissenschaftlich eindeutige Beweise, die den Klimawandel als Ursache für Tornados dingfest machen könnten, gibt es anders als bei Hurrikans nicht.
Video-Filme von so genannten „storm chasern“, Hobby-Forschern, die den Tornados im Auto filmend voraus- und nachfahren, zeigten am Wochenende das gewaltige Ausmaß der Zerstörung: Autos und selbst große Lkw wurden wie Spielzeug durch die Luft gewirbelt und Gebäude reihenweise wie Kartenhäuser zerlegt. In Huntsville/Alabama erwischte es das Dach eines großen Gefängnisses; keiner der 2100 Häftlinge floh.
Neue Radio-Alarm-Wecker, die Tornado-Warnungen unüberhörbar machen und in inzwischen in vielen Wohnhäusern eingebaut sind, haben nach Einschätzung der National-Garde in Indiana verhindert, „dass noch mehr Menschen zu Tode kamen“. Präsident Barack Obama hat den am stärksten betroffenen Bundesstaaten Hilfe angeboten. Angel Babcock wird sie noch lange Zeit benötigen. Wenn sie Glück hat. Cis Gruebbel, Sprecherin des Kosair Kinderkrankenhauses in Louisville, bezeichnet den Zustand des kleinen Mädchens als “sehr kritisch”.