Grosseto. Nach der Havarie der “Costa Concordia“ hat es am Samstag eine erste gerichtliche Anhörung gegeben - und neue schwere Vorwürfe gegen Kapitän Francesco Schettino. Er soll seine Mannschaft dazu aufgefordert haben, die Küstenwache anzulügen, heißt es. Außerdem habe Schettino seine Brille nicht getragen.

Bei der ersten gerichtlichen Anhörung zur Havarie der "Costa Concordia" vor Italien sind in Medienberichten neue Vorwürfe gegen Kapitän Francesco Schettino laut geworden. Laut italienischen Medien vom Samstag sagte der erste Offizier, Ciro Ambrosio, aus, Schettino habe seine Mannschaft angewiesen, die Küstenwache über das Ausmaß des Unglücks zu belügen. Die nächste Anhörung soll am 21. Juli stattfinden.

"Kapitän Schettino hat uns befohlen, der Küstenwache zu sagen, dass alles unter Kontrolle sei", sagte Ambrosio laut der Tageszeitung "Corriere della Sera". Unter Berufung auf Verhörprotokolle zitierte die Zeitung "Il Fatto Quotidiano", der Kapitän habe offenbar nicht zugeben wollen, wie ernst die Lage war.

Die Brille in der Kabine vergessen

Überdies habe Schettino an dem Abend nicht wie üblich seine Brille getragen, als er das Kommando auf der Brücke übernahm. Angeblich habe er sie in seiner Kabine vergessen, gab Ambrosio demnach an. Ambrosios Anwalt Salvatore Catalano sagte, Schettino habe an dem Abend seine Lese-Brille in seiner Kabine liegen lassen. Daher habe er Ambrosio mehrfach gebeten, das Radar zu beobachten und die Route zu prüfen. Sein Mandant sei der einzige Offizier auf der Brücke gewesen, der andere Anweisungen gegeben habe als der Kapitän, sagte der Anwalt weiter.

Schettino muss sich unter anderem wegen fahrlässiger Tötung, Schiffbruchs und dem vorzeitigen Verlassen des Schiffs verantworten. Außerdem will ihn die Staatsanwaltschaft wegen Umweltzerstörung in einem Naturschutzgebiet zur Rechenschaft ziehen. Er steht derzeit in seinem Haus an der Amalfi-Küste unter Hausarrest und erschien nicht zu der Anhörung. Einer seiner Anwälte sagte, Schettino fürchte um seine Sicherheit.

Hunderte Anwälte bei der Anhörung vor Gericht

Die gerichtliche Anhörung fand im italienischen Grosseto in der Nähe der Toskana-Insel Giglio statt, wo die "Costa Concordia" am 13. Januar auf Grund gelaufen und gekentert war. Hunderte Anwälte, Experten und Überlebende der Katastrophe erschienen zu der Anhörung, die aufgrund des Andrangs im Theater von Grosseto unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgehalten wurde.

Aufschluss erhoffen sich die Ermittler von der Black Box des Schiffes. Die Staatsanwaltschaft möchte zudem eine detaillierte Untersuchung der entscheidenden Minuten, als Schettino die Probleme auf dem Schiff bemerkte. Experten wollen ihrerseits feststellen, ob die Instrumente des Luxusliners einwandfrei funktionierten. Schettino behauptete zu seiner Verteidigung, dass er Probleme mit einigen Instrumenten gehabt habe.

Neben dem Kapitän und seinem ersten Offizier wird gegen sieben weitere Mitarbeiter des Kreuzfahrtanbieters Costa Crociere ermittelt, darunter drei führende Manager. Zahlreiche Überlebende in Italien, Frankreich und den USA haben gegen die Reederei und ihren US-Mutterkonzern Carnival geklagt und Schadensersatzforderungen in dreistelliger Millionenhöhe erhoben. Bei der Havarie waren 32 Menschen ums Leben gekommen, 25 Leichen wurden seither geborgen, sieben gelten als vermisst. Der Prozess beginnt möglicherweise erst in zwei Jahren. (afp/rtr)