Essen. Ob Knochendichtemessung, Innendruckmessung des Auges oder eine Extra-Ultraschalluntersuchung während der Schwangerschaft - immer häufiger drängen Mediziner ihren Patienten kostenpflichtige Zusatzleistungen auf. Aber nicht jede Therapie ist sinnvoll.
Wenn Ärzte an Igel denken, haben sie nur selten das possierliche Kleintier im Sinn. Denn hinter dem Kürzel verbirgt sich eine der lukrativsten Einnahmequellen der freien Ärzte: die so genannten Individuellen Gesundheitsleistungen (kurz: IGeL). Der Clou besteht darin, dass auch Kassenpatienten, an denen die Ärzte ansonsten nur wenig verdienen, kräftig zur Kasse gebeten werden.
Ob Knochendichtemessung, Innendruckmessung des Auges oder eine Extra-Ultraschalluntersuchung während der Schwangerschaft – immer öfter schlagen Mediziner ihren Patienten Behandlungen vor, für deren Kosten die Krankenkassen nicht aufkommen. Im letzten Jahr wurden 26,7 Prozent der gesetzlich Krankenversicherten, also mehr als einem Viertel, eine solche ärztliche Zusatzleistung angeboten. Das ergab eine bundesweite Umfrage des Wissenschaftlichen Instituts der Allgemeinen Ortskrankenkassen (WIdO). 2005 war es nicht einmal jeder Vierte.
Über Nutzen und Risiko informieren
Die IGeL sind aber keineswegs immer nützliche „Tierchen”. Wem vom Arzt eine solche zusätzliche Behandlung vorgeschlagen wird oder wer sich selbst für eine solche interessiert, sollte auf jeden Fall über den Nutzen und die Risiken der Maßnahme gut informiert sein.
Grundsätzlich dürfen alle Praxen kostenpflichtige Extra-Untersuchungen anbieten. Die Verbraucherzentralen stehen den Angeboten jedoch kritisch gegenüber, da die IGeL-Palette breit gefächert und unübersichtlich ist. Und eine exakte Liste, die über das gesamte Leistungsspektrum Aufschluss gibt, existiert nicht.
Mit den IGeL-Leistungen lässt sich auch viel Geld verdienen: Rund eine Milliarde Euro setzen die Praxen mit den Extra-Angeboten jährlich um. Das erklärt, warum einige schwarze Schafe mit aggressiven Werbemethoden vorgehen und mit wohlklingenden Namen wie „Großer Körper-Check” oder „Schwangerenbetreuung Plus” auf Kundenfang gehen. Bei Angeboten mit derart übertriebenen Bezeichnungen sollten Verbraucher besonders vorsichtig sein.
Eigeninitiative im Beratungsgespräch
Patienten sollten sich auch nicht scheuen, im Beratungsgespräch die Eigeninitiative zu ergreifen und ihren Arzt nach Nutzen und Risiken der zusätzlichen Behandlung zu fragen. Ebenfalls sollte nach der Beratung geklärt sein, inwiefern die Methode wissenschaftlich untersucht ist und welche Kosten anfallen.
Versicherte sollten sich ebenso keineswegs nur auf eine Meinung verlassen. Um das Angebot besser beurteilen zu können, sollten sie auch einen anderen Arzt nach seinem Standpunkt befragen oder die medizinische Hotline der Krankenkasse anrufen. Hilfreich ist darüber hinaus eine Recherche im Internet.
"Beratung muss stimmen"
Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung weiß um unseriöse Anbieter: „Die Beratung muss stimmen”, erklärt Pressesprecher Roland Stahl den Umgang eines zuverlässigen Mediziners mit IGeL-Angeboten. Und: „Der Arzt oder die Ärztin muss den Patienten sowohl über die medizinischen Aspekte als auch über den Preis ausreichend aufklären.”
Das fordern auch die Verbraucherschützer und sehen gerade im Arzt-Patienten-Gespräch Schwierigkeiten. „Ob Ärzte IGeL-Leistungen so anbieten, dass für Patienten sofort ersichtlich wird, um was es sich handelt, nämlich um für Patienten kostenpflichtige Zusatzleistungen, die medizinisch überwiegend nicht notwendig sind, ist ein Problem", sagt Susanne Mauersberg, Referentin für Gesundheitspolitik des Bundesverbands der Verbraucherzentralen.