Berlin. . Liebe ohne Trauschein: Die Beziehung von Joachim Gauck ist für viele Bundesbürger kein Problem. Wilde Ehen sind einer Umfrage zufolge nichts Wildes mehr. Für viele Deutsche ist Romantik der Schlüssel zum Glück.
Darf der Bundespräsident in wilder Ehe leben? Seit der Nominierung von Joachim Gauck wird die Frage ebenso am Küchentisch diskutiert wie in den Medien. „Reine Privatsache“, urteilt ein überwiegender Teil der Deutschen über das Liebesleben des designierten Staatsoberhaupts. Dass Partnerschaften immer öfter ohne Trauschein auskommen, bestätigt auch eine aktuelle Studie des Allensbach Instituts, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde.
So hat sich in den letzten 25 Jahren die Prozentzahl der unverheirateten Paare in der Altersgruppe der 30- bis 59-Jährigen auf knapp 12 Prozent verdoppelt.
Die Sehnsucht nach dem perfekten Partner
Wie Deutschland liebt, wollten die Meinungsforscher wissen und fragten: Ist die Ehe angesichts einer Scheidungsquote von 40 Prozent ein Auslaufmodell? Und ist die steigende Zahl von Single-Haushalten Ausdruck einer neuen Unverbindlichkeit in der Liebe? Die Antworten zeigen das Gegenteil: Wir leben in einer romantischen Republik, in der fast zwei Drittel an die große Liebe glauben und 77 Prozent eine glückliche Partnerschaft als Quell persönlichen Glücks ansehen.
In der Überzeugung, dass es für jeden von uns den perfekten Partner gibt, sind wir dabei durchaus hartnäckig: Erst nach der dritten gescheiterten Beziehung beginnen bei vielen die Zweifel an der einzig wahren Liebe. Skeptischer als die Liebenden sind auch die Singles: Weniger als die Hälfte der Alleinstehenden glaubt fest an den Traumprinzen oder die Traumprinzessin, auch wenn der Wunsch nach einer Beziehung bei den meisten vorhanden ist. Ein knappes Drittel wünscht sich eher heute als morgen einen passenden Partner. Knapp die Hälfte ist allerdings momentan mit dem Single-Dasein durchaus zufrieden. Singles aus Überzeugung findet man dagegen nur wenige.
Jedes vierte Paar glücklich
Kein Wunder, sagen doch 81 Prozent der deutschen Paare, sie seien glücklich oder sogar sehr glücklich. Dies dürfe allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass in vielen glücklich liebenden Köpfen „ein Zweifelswurm nagt“, sagt Renate Köcher, Geschäftsführerin des Allensbach Instituts. Nicht etwa, weil man in der Beziehung unglücklich ist, sondern vielmehr, weil man um die Alternativen weiß, sagt sie. „Vielleicht wartet an der nächsten Ecke jemand, der mich umhaut“, beschreibt Köcher das Lebensgefühl vor allem junger Männer. Single-Börsen im Internet und eine wachsende Kontaktfreudigkeit unter den Menschen nähren offenbar die Zweifel daran, dass der jetzige Partner tatsächlich die Idealbesetzung ist.
Ein starkes Ideal
In diesem Licht sind auch die vielen Scheidungen in Deutschland kein Widerspruch, sondern Ausdruck des Glaubens an das perfekte Liebesglück. Köcher: „Das zeigt doch nur, wie stark dieses Ideal ist.“ Unglückliche Beziehungen werden aufgegeben – die Hoffnung auf die Liebe im zweiten oder dritten Anlauf ist ja ungebrochen. Nach den Ansprüchen an den Traumpartner gefragt, zeigt sich: Was Er oder Sie vom Partner will, ändert sich über die Jahre. Ein Beispiel: Während zwei Drittel der Männer unter 30 Jahren die sexuelle Attraktivität ihrer Partnerin „sehr wichtig“ finden, stimmt dem nur noch ein Drittel der Über-60-Jährigen zu. Wichtiger werden im Alter stattdessen die Kochkünste der Liebsten und ihr Ordnungssinn. „Das war auch schon vor 20 Jahren so: Das Kulinarische ist der Sex des Alters“, sagt Renate Köcher.
Fast die Hälfte der Befragten jenseits der Vierzig setzen stärker auf Harmonie im Alltag und gegenseitige Unterstützung. Köchers Fazit: „Die Bedeutung von Liebe und Sex sinkt mit den Jahren.“