New York/Washington. . Polizeikontrolle nach Hautfarbe: 680 000 Mal haben die Ordnungshüter in New York Menschen im vergangenen Jahr auf der Straße gefilzt. Ein neuer Rekord. Fast 90 Prozent der Kontrollierten waren Schwarze oder Latinos.

Die Ordnungshüter in New York stehen unter Rassismusverdacht: 680 000 Mal wurden Menschen im vergangenen Jahr auf der Straße gefilzt. Ein neuer Rekord. Fast 90 Prozent waren Schwarze oder Latinos.

Die New Yorker Polizei, mit 35 000 Beamten die größte und mächtigste des Landes, steht nicht zum ersten Mal unter Rassismus-Verdacht. Diesmal glauben Bürgerrechtler die Klage mit harten Zahlen belegen zu können.

Nur 9 Prozent Weiße

Im vergangenen Jahr haben NYPD-Officer auf den Straßen von Manhattan und den anderen Stadtbezirken 684 330 Personen-Kontrollen durchgeführt, knapp 180 000 mehr als 2009. Absoluter Rekord, seit die Behörde darüber Buch führt. Während Polizeichef Ray Kelly die Statistik als Ausweis für die gestiegene Sicherheit in der Millionen-Metropole nimmt, spricht Donna Liebermann von der renommierten „Civil Liberties Union“ von einem „handfesten Skandal“. Ihr Argument: Mit 87Prozent waren die meisten Kontrollierten Schwarze oder aus spanischsprachigen Ländern stammende Latinos. Nur 9 Prozent, so belegt die erst per Gerichtsurteil öffentlich gemachte Statistik, waren Menschen weißer Hautfarbe.

Schwarze und Latinos stellen nur 50 Prozent der Bevölkerung New Yorks. „Das ist Rassismus, nichts weiter“, sagte der bekannte Bezirkspolitiker Scott M. Stringer gestern der „New York Times“. Der Demokrat will 2013 die Nachfolge von Bürgermeister Michael Bloomberg antreten. Seit dessen Amtsantritt sind die so genannten „stop-and-frisk“-Polizeikontrollen, die der Oberste Gerichtshof 1968 erlaubt hat, um 600 Prozent gestiegen.

Spontane Kontrollen

Bei den besagten Kontrollen können Polizeibeamte jede Person auf der Straße stoppen, zum Stillstehen oder Hinlegen verdonnern und körperlich durchsuchen, wenn sich aus ihrer Sicht auch nur der leiseste Verdachtsmoment ergibt. Nach polizeiinternen Befragungen reicht dabei die Begründung bereits aus, die jeweilige Person habe sich „irgendwie seltsam bewegt“.

Dass von dieser Taktik vor allem junge Schwarze und Latinos betroffen sind, ist erwiesen. 2009 wurden in New York ausweislich der Polizeistatistik rund 132 000 Mal schwarze Männer im Alter von 16 bis 24 Jahren kontrolliert; obwohl nur 120 000 Personen, auf die diese Kriterien zutreffen, in der Stadt leben.

„Wir werden kriminalisiert, weil wir Schwarze sind“

Welches Gefühl das hinterlässt, beschreibt Nicholas K. Peart, Student am Manhattan Community College und selbst bereits fünf Mal gefilzt worden: „Für junge Leute in meiner Nachbarschaft ist es eine Gewohnheit geworden. Wir rechnen jeden Moment damit, dass die Polizei uns festhält. Wir kennen die Regeln: Nicht weglaufen, nichts erklären. Für sich selbst einzutreten, kann dich ins Gefängnis bringen. Oder Schlimmeres. Am Ende fühlen wir alle immer dasselbe. Wir werden erniedrigt, verfolgt, kriminalisiert, weil wir Schwarze sind.“

Polizeichef Kelly weist die Vorwürfe von sich. Über seinen Sprecher Paul Brown lässt er ausrichten, dass die umstrittenen Personenkontrollen maßgeblich dafür verantwortlich seien, dass die Zahl der Morde in New York in der zehnjährigen Amtszeit Bloombergs auf 5430 zurückgegangen sei – gegenüber 11 058 Toten in der Dekade davor. Kelly unmissverständlich: „Kontrollen retten Leben.“

Bewusste Schikane

Bürgerrechtlerin Donna Liebemann hält das für an den Haaren herbeigezogen und spricht von bewusster Schikane. Sie bezieht sich dabei auf eine umfangreiche Studie des Rechtsgelehrten Jeffrey Fagan aus dem vergangenen Jahr. Danach führten weniger als 5 Prozent der Kontrollen zu einer Festnahme. Bei weniger als 1 Prozent der Kontrollen würden Waffen festgestellt. Fagans Schlussfolgerung: Jahr für Jahren werden in New York Hunderttausende auf der Straße von der Ordnungsmacht aus nur einem Grund angehalten – ihrer Hautfarbe.