Marl. . „Eine Sammelklage in Amerika klingt zunächst verführerisch, ist aber zu unsicher“, sagt ihr Anwalt Hans Reinhardt.

Der erste, aber sicher nicht einzige Schatzsuchertrupp ist aufgetaucht. Obwohl im Wrack des havarierten Kreuzfahrtriesen „Costa Concordia“ noch immer 15 Menschen vermisst werden, fragte den Marler Anwalt Hans Reinhardt, der insgesamt 20 Opfer vertritt, ein Mann am Mittwoch am Telefon: „Kann man da tauchen?“

Das Geschäft mit dem Leid der Opfer hat begonnen. Bei Ebay werden Hotelkarten und Schiffsmodelle angeboten. Amerikanische Anwälte wittern gigantische Umsätze, haben zum Unternehmen Mandantenfang geblasen. „Sie sind auf eigene Kosten in Giglio eingeflogen, hatten einen Psychologen im Schlepptau“, berichtet Reinhardt.

Seit bekannt ist, dass er 20 deutsche Opfer vertritt, kann er sich vor Anrufen aus USA kaum retten. Selbstbewusste Advokaten preisen ihre Fähigkeiten. Oder fragen: „Wo kann man die Passagierliste kaufen?“ Reinhardt googelt. Minuten später baut sich auf seinem Monitor die Costa Concordia auf, auf einer Web-Seite einer US-Kanzlei. „Die haben auch angerufen“, sagt er.

Ein verführerisches Angebot

Noch vor einer Woche hat Reinhardt mit dem Gedanken gespielt, mit den Kollegen auf der anderen Seite des Atlantik in Sachen Sammelklage zusammenzuarbeiten. Einige Dutzend Telefonate später, nach dem Studium der Verträge, sieht er das differenzierter.

„Das Angebot klingt zunächst verführerisch“, sagt Reinhardt. 120 000 Euro wollen die Anwälte in Florida vom Branchenprimus und Eigner der „Costa Concordia“, der Firma „Carneval“, erstreiten. Allerdings weiß Reinhardt nicht genau, ob „Carneval“ der richtige Ansprechpartner ist, zumal der Sitz der Firma offiziell in Panama liegt.

Spektakuläre Summen werden nur selten gezahlt

Hinzu komme, dass die 120 000 Euro nur für den Hauptkläger gelten. Das „Rudel“, wie es im amerikanischen Englisch heißt, die Sammelkläger, erhalten nur eine sogenannte Quote. Höhe: ungewiss. Sollten Gelder in zwei bis vier Jahren wirklich fließen, bekommt die Hälfte zunächst der US-Anwalt, dann werden die Kosten abgezogen und der Rest ausgezahlt.

Spektakuläre Urteile wie drei Millionen Dollar für einen zu heißen Kaffee von McDonald’s, seien auch in Amerika nicht an der Tagesordnung. „Von 1000 Klagefällen wird vielleicht in zwei eine so hohe Summe erstritten“, sagt Reinhardt. Und: Das Urteil gilt nur in der ersten Instanz. Häufig würden in der zweiten Runde Abfindungen wieder aberkannt.

Das Abenteuer Amerika ist unsicher

Das Abenteuer Amerika ist Reinhardt zu unsicher. Er will für seine Mandanten eine Entschädigung in Europa und zunächst in Italien erstreiten. Kontakt zu den Kollegen hat er, eine Klage gegen den Kapitän, die Reederei und eventuell den italienischen Staat werde vorbereitet. Denn eines ist Reinhardt klar: „Die 11 000 Euro, die die Reederei den Opfern angeboten hat, sind ein Witz.“ Beim Traumurlaub auf dem Traumschiff hätten Mandanten ihren kompletten Familienschmuck verloren. Gebisse und Hörgeräte seien beim Kampf ums Überleben verloren gegangen, Knochenbrüche und Traumata müssten verheilen. Das kostet Zeit und Geld. Mit einem schnellen Ende rechnet Reinhardt nicht.