Berlin. . Die Unicef ist besorgt über die Missstände in deutschen Jugendämtern. Anlass ist der Methadon-Tod der elfjährigen Chantal aus Hamburg. Eine wirksame Prävention scheitere oftmals an Überlastung, Fehleinschätzungen und fehlenden Informationen bei den Behörden.

Nach dem Methadon-Tod der elfjährigen Chantal aus Hamburg hat sich das UN-Kinderhilfswerk UNICEF in Deutschland besorgt über Defizite bei den Jugendämtern geäußert. „Wissen, Erfahrung und Zeit sind notwendig, um Gefahrenzeichen rechtzeitig zu erkennen“, sagte Geschäftsführer Christian Schneider. Wirksame Prävention scheitere oftmals an „Überlastung, Fehleinschätzungen und fehlenden Informationen bei den Behörden“. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger forderte unterdessen Konsequenzen nach den Todesfällen von Kindern in staatlicher Obhut.

„Der Tod von Chantal und Zoe ist eine Tragödie“, sagte die FDP-Politikerin der Tageszeitung „Die Welt“. „Vor Ort muss jetzt schonungslos aufgeklärt werden, welche Fehler und Versäumnisse es gab.“ Wenn schutzlosen Kindern ein Vormund zur Seite gestellt werde, dürften keine Fehler passieren.

Unerträgliche Arbeitsbelastung in Jugendämtern

Leutheusser-Schnarrenberger sagte, noch wichtiger sei „die Lösung der strukturellen Probleme“. Die Arbeitsbelastung bei den Jugendämtern sei häufig unerträglich. Die Ministerin verwies auf ihre Gesetzesreform, die sicherstelle, dass sich ein Amtsvormund höchstens um 50 Kinder kümmere und ein Kind mindestens einmal im Monat zu Hause besucht.

Die elfjährige Chantal starb Mitte Januar in Hamburg nach Einnahme des Heroin-Ersatzstoffes Methadon. Gegen die Pflegeeltern, die an einem Methadon-Programm teilnehmen und gegen die Jugendhilfe ermittelt die Staatsanwaltschaft. Die fast dreijährige Zoe wurde am Dienstag tot in Berlin-Weißensee aufgefunden. Als Todesursache gilt ein Darmriss mit Entzündung im Bauchraum. Die Familie stand unter intensiver Betreuung des zuständigen Jugendamts.

Laut Unicef sterben 150 Kinder pro Jahr durch Gewalt in Deutschland

UNICEF geht davon aus, dass jährlich rund 150 Kinder in Deutschland an den Folgen von Vernachlässigung und Gewalt sterben, und verweist auf entsprechende Zahlen des Bundes Deutscher Kriminalbeamter aus dem Jahr 2009. „Das wären nahezu drei Todesfälle durch Vernachlässigung und Gewalt pro Woche“, sagte UNICEF-Geschäftsführer Schneider.

Der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, widersprach diesen Zahlen. Immer weniger Kinder kämen in Deutschland durch Gewalt oder Vernachlässigung durch die Eltern ums Leben. „1994 wurden in Deutschland 112 Kinder bis sechs Jahre von ihren Eltern getötet. Im Jahr 2010 waren es 54“, sagte Pfeiffer. „Wir können davon ausgehen, dass die Gefahr für Kinder in Deutschland weiter zurückgeht.“

Er könne keine groben Missstände bei den Behörden feststellen, im Gegenteil: „Die Mitarbeiter der Jugendämter schauen sehr viel genauer hin als in der Vergangenheit.“ Es sei aber „unerträglich, dass wie jetzt in Hamburg drogenabhängige Pflegeeltern ausgesucht wurden“.