Weil ein Schüler eine Lehrerin erschossen hat, muss eine neue Lehrerin her: Anna Loos überzeugt mit Gespür für schwierige Situationen.
Sendetermin: 23. Januar
Von Julia Emmrich
Gute Filme zeigen nicht nur das Leben, sie können es sogar verändern. Schauspielerin Anna Loos hat nach den Dreharbeiten zum TV-Drama "Die Lehrerin" erst mal das Klassenzimmer ihrer Tochter gestrichen. "Wir wollten es den Lehrern schön machen." So ist sie: Fackelt nicht lange, sondern fährt in den Baumarkt und kauft Farbe.
Gut möglich, dass es den ZDF-Zuschauern am Montagabend (20.15 Uhr) genauso geht wie Hauptdarstellerin Anna Loos. Dass sie scharenweise zum Pinsel greifen. Oder sich wenigstens mal wieder fragen, wie es ist, fünf Tage in der Woche die Kinder anderer Leute zu erziehen.
Anna Loos ist "Die Lehrerin". Die Ehefrau von Jan Josef Liefers ("Tatort"), Mutter von Lilly (9) und Lola (4) und charismatische Sängerin der ostdeutschen Rockgruppe Silly ("Alles Rot") spielt Andrea Liebnitz, eine ausgebrannte Biologin. Eine Frau, die beim bloßen Gedanken an pubertierende Achtklässler und die Details der Photosynthese Kopfschmerzen bekommt. Kein immer schon freudloses, graues Wesen, sondern eine mit der Zeit müde gewordene Pädagogin, die keinen Elan mehr hat, sich jedes Jahr aufs Neue vor die Klasse zu stellen.
Die Liebnitz will kündigen, doch just an diesem Tag erschießt ein Schüler mitten im Unterricht ihre Lieblingskollegin. Die spritzige, schwungvolle, sinnliche Katja (Meret Becker). Und wer übernimmt jetzt deren Klasse? Andrea Liebnitz muss noch mal ran.
Weil diese Lehrerin wider Willen einen nicht kalt lässt, weil sie schlingert, scheitert und am Ende doch gewinnt - genau deshalb hat die Berliner Grundschule von Anna Loos' Tochter jetzt frische Farbe an den Wänden. Die Renovierungsaktion war eine Geste der Eltern, als sichtbare Solidarität mit allen Andreas und Katjas des Deutschen Schulsystems.
Der Film zeigt es fast dokumentarisch: Klassenräume, Pausenhöfe und Turnhallen sind öfter Schlachtfelder als Rosengärten. Das gilt für Schüler wie für Lehrer. "Die Geschichte zeigt", sagt Anna Loos, "wie schnell jemand durch ein Raster fällt, nicht mehr dazu gehört, gemobbt wird." Kinder und Erwachsene - sie alle sehnen sich nach Respekt und Anerkennung, bekommen aber vor allem Druck. Und deshalb hat es nach den Dreharbeiten bei Anna Loos nicht nur Farbe, sondern auch ein paar Gespräche gegeben. Über Cliquenbildung, über die Hackordnung unter den Kindern, über Außenseiter und deren Wut.
"Welche Schüler sind das bei Euch?", hat Anna Loos ihre Tochter und deren Freundinnen gefragt, "wer steht bei Euch immer außen vor? Und vor allem: warum?" Die Gören wussten es selbst nicht. Ein paar Anrufe später, ein paar gezielte Verabredungen - "und die Außenseiter waren wieder drin im Cliquen-Kosmos".
Auf den Blick erscheint Anna Loos als Fehlbesetzung für diesen Film. Diese vitale, lachlustige 41-Jährige mit dem schnoddrigen Tonfall soll eine ermattete Lehrerin kurz vor dem Burnout spielen? Doch sie macht das grandios - und entpuppt ihre Leuchtkraft nur ganz allmählich. Am Ende aber hat Andrea Liebnitz alles Graue, Müde, Verhärmte verloren und ist bereit, das Erbe ihrer erschossenen Kollegin Katja anzutreten.
Kurzkritik
"Die Lehrerin" (ZDF, 23. Januar, 20.15 Uhr) beginnt mit einer Amoktat. Ein Schüler der achten Klasse erschießt mitten im Unterricht seine Lehrerin. Doch nicht Tat, Täter und Motiv stehen im Vordergrund - sondern die Geschichte der Opfer. Die beliebte Deutschlehrerin Katja liegt im tödlichen Koma, ihre Kollegin Andrea übernimmt die traumatisierte Klasse. In Rückblenden wird die Freundschaft der beiden beleuchtet und das Lehrerleben besichtigt. Ein Glücksgriff ist die Besetzung der drei Hauptrollen: eine umwerfend leichtfüßige Meret Becker als Katja, ein ungewohnt sanfter Axel Prahl als Psychologe - und Anna Loos als Andrea.