Essen. . Bettina Schausten und Ulrich Deppendorf verzichten beim Bundespräsidenten auf Samthandschuhe, aber bleiben fair.

Es war weder ein leichtes Sommer-Interview noch die gnadenlose Befragung vor einem Inquisitions-Gericht. Es war aber schon ein Interview mit einem amtierenden Bundespräsidenten, das es in einer solchen Härte wohl selten gab. Ulrich Deppendorf (ARD) und Bettina Schausten (ZDF) stellten die Fragen in dem von Bundespräsident Christian Wulff kurzfristig vereinbarten Gespräch mit der nötigen Distanz und angebrachter journalistischer Schärfe. Der Bundespräsident, der vor einem Wasserglas saß und die gefalteten Hände knetete, fühlte sich bei manchen Fragen sichtlich unwohl. Seine Versuche, sich ins Persönlich-Gefühlige zu flüchten, ließ ihm vor allem Schausten nicht durchgehen. Sie hakte präzise nach.

Wulff begann das wichtigste Interview seines Berufslebens gefasst und konzentriert, was man von ARD-Chefredakteur Deppendorf auf Grund mehrfacher Stolperer nicht unbedingt sagen konnte. Bei ihm durfte der Bundespräsident zumeist ausreden, sich in langen Antworten ergehen und entschuldigen sowie die menschliche Seite seiner Fehler betonen. Schärfer war da das Nachhaken von ZDF-Frau Bettina Schausten, die nicht im geringsten den Anschein aufkommen ließen, dass die Fragen abgesprochen sein könnten. Sie ließ den Bundespräsidenten nicht aus den Augen – und nicht immer konnte Wulff den Blicken standhalten. Sie konfrontierte ihn mit der Frage, ob er bisher kein guter Bundespräsident gewesen sei, mit seinen Ansprüchen ans Amt und Zitaten aus der Vergangenheit („alles Lippenbekenntnisse?“). Auch mit Kritik sparte sie dabei nicht. So auch bei der Frage, dass man das Gefühl habe, dass der Bundespräsident zur Transparenz getrieben werden müsste. Zudem versuchte die Leiterin des ZDF-Hauptstadtstudios mehrfach ins Innenleben des Präsidenten zu schauen, etwa als sie auf sein Gewissen bei der Fragestunde im niedersächsischen Landtag anspielte. Die Besonnenheit, mit der Wulff sein Amt dem eigenen Anspruch folgend eigentlich ausüben möchte, blieb dann irgendwann auf der Strecke. Wulff nahm sich keine Pausen, um seine Antworten abzuwägen. In den 21 Minuten des Gesprächs blieb sein Wasserglas unangetastet. Er leistete sich zerknirscht Gegenfragen an Bettina Schausten zum Umgang mit Freunden und kam – ungefragt – auf Spekulationen um seine Frau, die im Internet kursierten und erwähnte aus dem Zusammenhang heraus private Details wie seine finanzielle Unterstützung seiner Mutter.

In Anlehnung an das bei unter Druck geratenen Politikern unvermeidliche Truman-Zitat von der Hitze in der Küche, die man als Koch schon aushalten müsse, betonte Wulff am Ende nochmals, dass er im Amt bleiben möchte. Ob das Interview ihm dabei geholfen hat, wird sich zeigen.