Paris. . Medizin-Skandal in Frankreich: Schätzungsweise 30 000 Französinnen sollen sich Brustimplantate entfernen lassen. Denn die fehlerhaften Produkte des Unternehmens PIP, das in Konkurs ging, stehen in Verdacht, unter Umständen auch krebserregend zu sein. Die Firma verarbeitete billiges Industriesilikon.

Ein neuer Medizinskandal wühlt Frankreich auf. Das in Konkurs gegangene Unternehmen PIP soll im großen Stil Brustimplantate produziert haben, die möglicherweise Krebs erregende Substanzen enthalten. Die französischen Gesundheitsbehörden erwägen nach einem Bericht der Zeitung „Libération“ nun drastische Schritte. Danach sollen schätzungsweise 30 000 Französinnen die umstrittenen Silikonkissen vorsichtshalber wieder herausoperiert werden.

Die Wut wächst schon seit Wochen. Vor einigen Tagen zogen Dutzende Frauen einer Selbsthilfegruppe aus Protest vor das Pariser Gesundheitsministerium. „Für dich, Edwige, und die anderen“, stand auf ihrem weißen Banner. Edwige Ligoneche, eine Frau aus Marseille, die an den Folgen von Lymphdrüsenkrebs gestorben ist. Der schlimme Verdacht: Fehlerhafte Implantate der südfranzösischen Firma PIP („Poly Implants Prothèses“) könnten für ihre tödliche Erkrankung verantwortlich sein. Inzwischen bringen die französischen Behörden acht Krebsfälle mit PIP in Verbindung. Der ermittelnden Staatsanwaltschaft in Marseille liegen ferner 2000 Anzeigen besorgter Frauen vor. Sie prüft den Vorwurf der fahrlässigen Tötung und der Körperverletzung.

Nach bisherigen Erkenntnissen hat das Unternehmen die Gel-Kissen in den letzten fünf Jahren nicht mehr mit dem zulässigen Silikon gefüllt, sondern, so Staatsanwalt Jacques Dallest, „ein hausgemachtes Gel“ verwendet. Dieses Industriesilikon soll um das Zehnfache preiswerter als das reguläre Gel und obendrein krebserregend sein. Unterstützung erhalten die Frauen inzwischen aus dem Parlament. Bernard Debré, Abgeordneter der Regierungspartei UMP und Mediziner, sprach gestern von einem „Skandal“ und prangerte „betrügerische Machenschaften“ an.

Über 500 Frauen ließen sich Implantate herausoperieren

Im vergangenen Jahr nahmen die Behörden den in La Seyne-sur-Mer bei Toulon ansässigen Betrieb unter die Lupe, nachdem sich die Besorgnis erregenden Beobachtungen gehäuft hatten. Die PIP-Implantate sollen doppelt so oft Risse aufgewiesen haben wie die Produkte anderer Hersteller. Daraufhin untersagten die Behörden in Frankreich den Vertrieb und die Verwendung der Implantate. Fest steht: Allein 523 Frauen haben sich die PIP-Implantate bereits wieder herausoperieren lassen, weil die Kissen gerissen waren und Entzündungen verursachten.

Nach Angaben der französischen Behörde für die Sicherheit von Medizinprodukten (Afssaps) sollen sich 20 Prozent der Frauen die PIP-Produkte haben einsetzen lassen, nachdem sie an Brustkrebs erkrankt waren. 80 Prozent hätten sich aus ästhetischen Gründen für die Silikonkissen entschieden. Derartige Schönheitsoperationen kosten in der Regel zwischen 4000 und 5000 Euro. Ein Großteil der PIP-Implantate wurde offenbar ins Ausland exportiert.

Im Internetforum der Selbsthilfegruppe lassen die verunsicherten Frauen ihren Ängsten und Sorgen freien Lauf. Die meisten plagt Ungewissheit – die Ungewissheit, ob die umstrittenen Implantate tatsächlich Krebserkrankungen auslösen, aber auch die Ungewissheit, wer eine zweite Operation bezahlen wird. Die Regierung will bis Ende dieser Woche einen Aktionsplan auflegen, der 30 000 betroffene Frauen zurück in die Operationssäle schickt. Regierungssprecherin Pecresse: „Alle Frauen mit PIP-Implantaten sollten dringend ihren Chirurgen aufsuchen“.