Lüttich. Ein 18 Monate altes Kind ist nach dem Anschlag in Lüttich seinen Verletzungen erlegen. Außerdem fand die Polizei eine Frauenleiche in einem Schuppen, den der Attentäter nutzte. Damit ist die Zahl der Toten auf sechs gestiegen.
Nach dem Anschlag in der belgischen Stadt Lüttich ist die Zahl der Toten auf sechs gestiegen. Ein wegen Waffen- und Drogenbesitzes vorbestrafter Mann hatte am Dienstag das Feuer auf Passanten eröffnet. Drei Menschen starben sofort, auch der Schütze kam ums Leben. Mehr als 120 Menschen wurden verletzt. Ein 18 Monate altes Baby starb später im Krankenhaus.
Am Morgen wurde bekannt, dass die Polizei in Belgien bei der Durchsuchung des Hauses des Amokläufers die Leiche einer Frau gefunden hat. Die 45-jährige Tote sei in einem Schuppen entdeckt worden, den der Mann offenbar zum Anbau von Cannabis genutzt habe, sagte der Lütticher Generalstaatsanwalt Cédric Visart de Bocarmé am Mittwoch im belgischen Radio.
Tot aufgefundene Frau war offenbar Haushälterin
Es sei davon auszugehen, dass der Mann die Frau umgebracht habe, kurz bevor er sich am Dienstagmittag auf den Weg zum zentralen Platz der ostbelgischen Stadt gemacht habe, wo er anschließend ein Blutbad anrichtete. Die Frau arbeitete nach Angaben von belgischen Medien als Haushälterin für eine Nachbarin des Amokläufers.
Das Blutbad versetzte die belgische Stadt nahe der deutschen Grenze in einen Schock. Stundenlang kursierten Gerüchte über die Flucht eines möglichen Komplizen, und die Innenstadt wurde bis zum Abend abgeriegelt. Einen terroristischen Hintergrund schloss das Innenministerium aber rasch aus.
Der Täter, dessen Namen die Behörden mit Norodine A. angaben, riss zunächst einen 15-Jährigen, eine 17-Jährige und eine 75 Jahre alte Frau mit in den Tod, sagte Staatsanwältin Danièle Reynders. Ein 18 Monate altes Kind erlag später seinen Verletzungen. Der Lütticher habe sich am späten Vormittag mit dem Wagen Richtung Innenstadt auf den Weg gemacht und ein Sturmgewehr, einen Revolver und zahlreiche Handgranaten in einem Rucksack dabeigehabt.
"Es war grauenhaft"
Auf der Place Saint-Lambert, wenige Meter vor einem gut besuchten Weihnachtsmarkt, schlug er gegen 12.30 Uhr zu: Von einem Vorplatz warf er drei Handgranaten in einen Unterstand an einer Bushaltestelle und eröffnete das Feuer. Ob er anschließend Selbstmord beging oder sich unbeabsichtigt umbrachte, sei noch nicht geklärt, sagte Reynders. Polizisten hätten ihn nicht getötet. Nach der Tat wurden noch mehrere nicht gezündete Granaten in seinem Rucksack gefunden.
Das Attentat löste Panik aus. Die Menschen rannten um ihr Leben, versuchten, sich und ihre Kinder vor den Kugeln und Granaten in Sicherheit zu bringen. "Es war grauenhaft", schilderte ein Augenzeuge dem Sender RTL die Augenblicke nach der Tat. Geschäfte und Restaurants wurden verbarrikadiert. Er habe versucht, in ein Café zu flüchten, sei aber nicht mehr hineingekommen, sagte der deutsche Student Konstantin Fischenich der Nachrichtenagentur dapd. Noch am Abend suchte er nach seinen Freunden. Auf Fernsehbildern waren Blutlachen zu sehen.
Zur Versorgung der vielen Verletzten eilten auch Rettungskräfte aus den Niederlanden herbei. Im Hof des nahe gelegenen Justizpalastes unweit des Anschlagsortes wurde eine Notversorgungsstelle für die Leichtverletzten eingerichtet. "Die Zustände sind chaotisch", sagte der Vater eines verletzten Kindes am Nachmittag dem Fernsehsender RTL.
Berichte über Komplizen sorgten für Panik
Mehrere Medien hatten zunächst über eine Verfolgungsjagd mit einem mutmaßlichen Komplizen durch die Innenstadt berichtet. Demnach gab es eine Stunde nach dem Anschlag einen Schusswechsel mit Sicherheitskräften. Die Polizei dementierte dies aber später. Auch Meldungen, ein mutmaßlicher zweiter Täter habe sich in den Justizpalast geflüchtet, erwiesen sich als falsch.
Über das Motiv des 33-Jährigen gab es zunächst keine genauen Angaben. Amrani hatte einen Termin für eine Befragung durch die Justizbehörden, sagte Staatsanwältin Reynders. Der Mann war laut Staatsanwaltschaft wegen Sexualdelikten vorbestraft und hatte erst 2008 eine Haftstrafe von 58 Monaten für illegalen Waffenbesitz und den Anbau von Cannabis erhalten. Laut der Zeitung "Sudpresse" waren damals bei ihm 9.500 Waffenteile sowie Dutzende einsatzbereite Schusswaffen gefunden worden. Warum es ihm nach der Haft erneut gelang, sich umfangreich zu bewaffnen, gehört zu den Fragen, die am Dienstag zunächst unbeantwortet blieben.
Westerwelle sprach Opfern und Angehörigen seine Anteilnahme aus
Sein Attentat sorgte für Bestürzung in Belgien. König Albert II. traf am Abend in strömendem Regen in Lüttich ein, um sich über den Hergang zu erkundigen und die Verletzten und Opferangehörigen zu trösten. EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek drückte dem Land seine Anteilnahme aus. Er sei zutiefst schockiert von dem Blutbad und denke an die Opfer und ihre Familien, sagte Buzek.
Für die Bundesregierung brachte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) die Anteilnahme an der Trauer um die Opfer des Anschlags zum Ausdruck. "Wir trauern mit Belgien um die Opfer dieses Verbrechens", sagte Westerwelle am Dienstag in Berlin. "Den Angehörigen und Freunden gilt unser Mitgefühl. Den Verletzten wünschen wir baldige Genesung." (dapd)