Allensbach. . Das Institut für Demoskopie Allensbach hat eine neue Studie zum Thema „Manieren“ herausgegeben. Die repräsentative Umfrage zeigt, dass Höflichkeit und rücksichtsvolles Verhalten den meisten Menschen auch heutzutage wichtig sind. Andere Benimmregeln sind dagegen eher überholt.

Das Institut für Demoskopie Allensbach (IfD) hat im Auftrag von Jacobs Krönung über 1.000 Menschen ab 16 Jahren zum Thema „Manieren“ befragt. Das Ergebnis: Gutes Benehmen ist auch bei Jüngeren angesagt. Veraltete Höflichkeitsrituale kommen dagegen nicht mehr gut an.

Gutes Benehmen ist 40 Prozent der Befragten wichtig. Eine Mehrheit von 53 Prozent legt ebenfalls Wert auf Manieren und Höflichkeit, betont dies aber nicht allzu sehr. Nur einem kleinen Teil (5 Prozent) liegen Ettikette und Anstand gar nicht am Herzen. Schlechtes Benehmen wird übrigens meist dann als störend empfunden, wenn das Verhalten des Einzelnen negative Folgen für andere Menschen hat.

Die guten Manieren sind nicht in Vergessenheit geraten

Alt und Jung sind sich vor allem bei den allgemeinen Regeln, die die Rücksichtnahme und gegenseitigen Respekt betreffen, einig: 88 Prozent aller Befragten empfinden es als unhöflich, wenn jemand, der zum Beispiel zeitlich verhindert ist, den verabredeten Termin nicht absagt. Jemanden beim Reden zu unterbrechen finden 87 Prozent unhöflich. Sich im Geschäft vorzudrägeln stört 80 Prozent. Auch zugesagte Aufgaben nicht zu erledigen kommt bei 79 Prozent nicht gut an. Unpünktlichkeit und älteren Menschen keinen Platz im Bus anzubieten halten jeweils 77 Prozent der Befragten für schlechtes Benehmen. Zudem stört das Reden mit vollem Mund fast drei Viertel.

Dabei beklagt etwa jeder Siebte, dass die Menschen heutzutage keine Manieren hätten. Doch obwohl höfliches Verhalten gefühlt immer seltener vorkommt, finden die meisten gutes Benehmen wichtig. Das bestätigt Dr. Hans-Michael Klein, Vorsitzender der Knigge-Gesellschaft: „Es gibt Defizite beim Benehmen der Leute. Dass sich so viele für gutes Benehmen aussprechen, ist eine Rückbesinnung auf nostalgische Werte. Denn Regeln bieten Sicherheit, besonders in Krisenzeiten“.

Deshalb stehen immer geltende Verhaltensregeln, bei denen es um Rücksichtnahme und Höflichkeit geht, auch bei den unter 30-Jährigen hoch im Kurs, wohingegen sie konventionelle Verhaltensregeln für unwichtig erachten. Bei den überholten Regeln handelt es sich meist um die Ettikette, welche sich von Zeit zu Zeit ändert. So halten es beispielsweise nur noch 27 Prozent für schlechtes Benehmen, wenn Männer Frauen nicht die Tür aufhalten.

Konventionelle Höflichkeitsregeln sind teilweise überholt

Andere Höflichkeitsregeln finden aber auch heute noch Anklang: Einen Bekannten auf der Straße nicht zu grüßen, halten 56 Prozent für schlechtes Benehmen. Rund die Hälfte der Befragten findet es unhöflich, wenn Eltern ihre lauten Kinder im Restaurant nicht zur Ruhe ermahnen. Auch das sehr laute Hören von Musik auf der Straße oder in der U-Bahn stört jeden Zweiten. Mit 47 Prozent knapp dahinter liegt Handyklingeln im Restaurant. Zudem ändern sich einzelne Konventionen im Laufe der Zeit: Wer einem anderen Autofahrer einen Vogel zeigt, erzürnte 1997 noch mehr als die Hälfte (54 Prozent), heute stören sich nur noch 44 Prozent daran.

Gute Umgangsformen zählen auch im Internet

Obwohl im Internet in vielen Blogs und Foren eher ein rauer Umgangston herrscht, ist den Benutzern im virutellen Raum gutes Benehmen wichtig. „Die technische Entwicklung - vor allem die Kommunikation mit dem Handy und im Internet - fordert neue Umgangsformen von uns“, sagt Knigge-Experte Hans-Michael Klein. So finden es 71 Prozent aller Befragten unangemessen, im Internet Fotos von anderen ohne deren Einverständnis weiterzugeben. Anders sieht es bei konventionellen Höflichkeitsregeln aus: Freunden per SMS oder via Internet zum Geburtstag zu gratulieren, finden nur 26 Prozent unhöflich. Ebenso finden die meisten Menschen soziale Netzwerkeinladungen über Statusgrenzen hinweg in Ordnung, dagegen sind in der Umfrage nur 17 Prozent.

Im Vergleich zu älteren Umfragen haben sich sowohl das Geschlechterverhältnis als auch die Bewertung einzelner Konventionen geändert. So wird unangemeldeter Besuch von den wenigsten noch als unhöflich empfunden (17 Prozent). Ebenso unproblematisch ist es, wenn die Frau die Rechnung für das gemeinsame Essen bezahlt (18 Prozent). Wenn hingegen Jüngere die Älteren nicht zuerst grüßen, stören sich daran auch im 21. Jahrhundert noch 31 Prozent aller Befragten.

Der klassische Gentleman pflegt moderne Umgangsformen

Viele Höflichkeitsregeln, die Männer gegenüber Frauen früher befolgt haben, kommen heute weniger gut an. „Die Rolle der Geschlechter hat sich verändert. Die Frau ist auch im ‘Knigge-Land’ anders als vor dreißig Jahren“, so Knigge-Experte Klein. Einige Verhaltensweisen werden auch heute noch als gutes Benehmen gewertet: So schätzt die Mehrheit der Frauen (88 Prozent), wenn der Mann schwere Sachen für sie trägt. Die Damenwelt freut sich auch darüber, wenn der Mann die Frau nach einer Verabredung nach Hause begleitet (77 Prozent) oder ihr bei Kälte oder Regen den Mantel anbietet (72 Prozent).

Andere Höflichkeiten, wie beispielsweise den Stuhl der Frau zurechtzurücken (33 Prozent) oder sich kurz zu erheben, bevor die Frau den Tisch verlässt (23 Prozent), lassen Mann beim ersten Date eher schlecht dastehen. Gänzlich unnötig finden die meisten Frauen, wenn der Mann im Restaurant den Wein aussucht. Lediglich 22 Prozent halten diese Konvention noch für höflich und angemessen. Wenn sich eine Beziehung anbahnt, sprechen sich die Hälfte der Frauen dafür aus, dass der Mann die Initiative ergreifen sollte; bei den Männern liegt der Anteil nur bei 40 Prozent.

Duzen, Siezen und universale Begrüßungsrituale

Das Duzen - auch von kaum Bekannten - setzt sich in Deutschland immer mehr durch. Knapp die Hälfte der unter 30-Jährigen (47 Prozent) duzt andere Menschen nach eigener Einschätzung sehr schnell. Im Vergleich dazu duzt nur gut ein Viertel aller Befragten Bekannte sehr schnell. Überraschend ist, dass sich trotz dieser Tendenz zum Duzen 61 Prozent der Befragten gegen die Abschaffung des „Sie“ aussprechen. Die Möglichkeit durch die beiden Anredeformen Nähe und Distanz zu schaffen, wird also nach wie vor geschätzt.

Eine weitere Verhaltensveränderung gibt es auch bei der Begrüßung: In den letzten 30 Jahren hat sich der Wangenkuss als Begrüßungsritual durchgesetzt. Die Mehrheit der Befragten (58 Prozent) praktiziert die ursprünglich französische Begrüßung. Bei den unter 30-Jährigen sind es sogar 74 Prozent. Der Wangenkuss findet aber nicht bei jedem, der ihn auch praktiziert, Anklang. Rund 37 Prozent der Befragten gefällt die Sitte nicht und vermutlich wird sie von ihnen eher aufgrund eines sozialen Drucks ausgeübt.

Laut der Studie über Manieren sind die Benimmregeln in den letzten fünfzehn Jahren generell nicht verfallen. Lediglich einige konventionelle Höflichkeitsregeln haben sich verändert oder kommen einfach nicht mehr gut an. Der Knigge-Experte Dr. Klein beurteilt die Ergebnisse der Umfrage so: „Das Leben der Menschen wird immer komplizierter. Da bieten gutes Benehmen und Höflichkeits- sowie Umgangsregeln eine Orientierung im Alltag.“