Essen. Die Generalstaatsanwälte wollen nur noch gegen die "großen Fische" unter den Raubkopierern ermitteln. Die Internet-Piraterie bleibt allerdings strafbar. Oberstaatsanwältin Elke Adomeit von der Generalstaatsanwaltschaft Hamm beantwortet die wichtigsten Fragen.
Frage: Bin ich jetzt rechtlich auf der sicheren Seite, wenn ich nur wenige Titel herunter lade?
Eine "Gesetzesänderung" ist damit nicht verbunden; auch ändert dieses Bearbeitungsmodell nichts daran, dass derjenige, der urheberrechtlich geschützte Werke im Internet anbietet oder sich verschafft, sich strafbar macht.
Frage: Warum haben die Generalstaatsanwaltschaften ihre Richtlinien geändert?
Die Behandlung von Strafanzeigen wegen Urheberrechtsverletzungen im Internet soll möglichst bundeseinheitlich erfolgen und angesichts der durch die Massenstrafanzeigen in beachtlichem Maße gebundenen Personal- und Sachressourcen für die Strafverfolgungsbehörden möglich bleiben. Bei den zehn Staatsanwaltschaften im Bezirk der Generalstaatsanwaltschaft Hamm, der größten Generalstaatsanwaltschaft in der Bundesrepublik Deutschland, sind im ersten Halbjahr 2008 rund 25.000 Strafanzeigen wegen Urheberrechtsverletzungen im Internet eingegangen.
Frage: Was hat sich geändert?
Die Generalstaatsanwälte in Nordrhein-Westfalen haben sich auf ein einheitliches Bearbeitungsmodell verständigt, das von den bayerischen Justizbehörden entwickelt worden ist.
Frage: Wo liegen die Grenzwerte?
Als grobe Vorgabe gilt: Die Grenze liegt etwa bei 200 Dateien oder einem Gegenwert von 3000 Euro. Dieser Betrag orientiert sich an dem Verkaufswert der Dateien. Unterhalb dieser Schwelle sollen im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Ermittlungsmaßnahmen unterbleiben können, zumal häufig Kinder und Jugendliche als mutmaßliche Täter in Betracht kommen.
Nur in den Fällen, in denen keine Anzeichen für eine Urheberrechtsverletzung im gewerblichen Ausmaß vorliegen, werden die Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westfalen zukünftig darauf verzichten, über eine Auskunft bei dem Service-Provider zu ermitteln, wer unter einer bestimmten IP-Adresse den Urheberrechtsverstoß begangen haben könnte.
Frage: Wie stellt die Staatsanwaltschaft fest, ob der Nutzer mit den Dateien gewerblichen Handel betreibt?
Das gewerbliche Ausmaß kann sich sowohl aus der Anzahl als auch der Schwere der Rechtsverletzungen ergeben. Insbesondere das widerrechtliche Herunterladen und Anbieten besonders umfangreicher Dateien, wie vollständige Kinofilme oder Musikalben oder Hörbücher vor oder unmittelbar nach der Veröffentlichung im Internet, kann die Annahme gewerblichen Handelns nahe legen.
Notwendig ist eine Betrachtung des Einzelfalls. Insbesondere werden sich Mehrfachtäter nicht darauf berufen können, dass eine gewichtige Rechtsverletzung nicht vorliegt.
Sofern kinderpornografische, Gewalt verherrlichende oder politisch bzw. religiös radikale Darstellungen Gegenstand der angebotenen Dateien sind, werden in jedem Fall Ermittlungsverfahren unter Anwendung von strafprozessualen Maßnahmen durchgeführt.
Frage: Was bedeutet diese Änderung für bereits verhandelte Verfahren?
Das Bearbeitungsmodell hat keinen Einfluss auf bereits abgeschlossene Verfahren. Zudem droht dem Nutzer einer illegalen Tauschbörse unabhängig von strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen eine zivilrechtliche Inanspruchnahme durch die Rechteinhaber.