Köln. . Der ehemalige ARD-Korrespondent bleibt im Ruhestand unruhig. Der 69-jährige Atheist machte bei seiner Pilgerreise zu Gläubigen verschiedener Religionen spannende Entdeckungen. Am Ziel aber ist er längst nicht.

Er ginge als weltoffener Pfarrer durch. Zwar trägt er Jeans, doch sind sie schwarz, schwarz wie sein Polohemd. Doch der Schein trügt: Sven Kuntze kann mit Glauben wenig anfangen. „Er kam mir abhanden wie ein Regenschirm“, sinniert der ehemalige ARD-Korrespondent. Genau deshalb hat sich der 69-Jährige auf die Suche gemacht. „Gläubig auf Probe“, heißt seine launige Reportage, „Sven Kuntze auf der Suche nach dem lieben Gott“ (ARD, 22.45 Uhr).

„Mit dem Ruhestand brachen Fragen auf, die ich im Berufsleben lange verdrängt habe“, gesteht der lange Rotblonde, in dessen wasserblauen Augen etwas Junges, Neugieriges, Fragendes aufblitzt. „Früher war Zeit für mich eine Frage der Organisation. Mit dem Alter hat sich das geändert. Deutsche Männer werden im Schnitt 76. Da bleibt mir nicht mehr viel Zeit. Und mir stellt sich die Frage: Was mach’ ich damit?“

Kuntze glaubt, dass sein Film mehr bietet als ein gebührenfinanziertes Privatvergnügen. „Das sind Fragen, die sich viele Leute stellen, man könnte sagen, es sind die Fragen einer ganzen Generation“, sagt der leidenschaftliche Fragensteller nüchtern, mit tiefer, markanter Stimme, die seine Vorliebe für Tabakprodukte nicht verleugnen kann.

Der Fernsehrentner und seine beiden Co-Autoren – Gesine Enwaldt und Ravi Karmalker – gingen auf Sinnsuche. „Die erste Station war ein Kloster“, sagt Kunze. Das überrascht wenig. Kuntze kommt aus katholischem Haus. „Der Glaube gehörte für uns dazu, er war selbstverständlich, er wurde nicht hinterfragt.“

Tatsächlich war Kunze nach eigenem Bekunden nie ernsthaft von Zweifeln angekränkelt. „Für meine Generation“, meint der Achtundsechziger, „lief doch alles glatt.“ Für die Nachkriegsgeneration gab es nur eine Richtung: nach vorn. Auf Studium folgte Job, gut bezahlt, versteht sich. „Auch die Rente ist ordentlich“, stellt der Wahl-Berliner nüchtern fest. „Ich war niemals in einer existenziellen Krise. Mein einziges Problem waren Beziehungskrisen“, sagt er und kann sich dabei ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. „Ich hätte mich oft anständiger verhalten können.“ Kuntze liebte – wie er selbst zugibt – das Leben und die Frauen.

Atheist verteidigt Papst

Und mit der Läuterung im Alter scheint es nicht so einfach zu sein, wie Kuntze glaubte. „Ein Pfarrer hat mir mit seiner typischen rheinischen Art gesagt: Jung’, sechs Jahrzehnte Luzifer, und dann auf die letzten Tage fromm werden – dat kannste verjessen.“

Auch deutsche Buddhisten aus dem Fränkischen, die materiellen Wohlstand gegen inneren Reichtum tauschten, mochten Kuntze keine Hoffnung auf Schnell-Erleuchtung mit Erlösungsgarantie geben. Sie machten dem Sinnsucher klar, dass seine frommen Wünsche vermutlich erst im nächsten Leben erfüllt werden.

Dann kam Papst Benedikt XVI. nach Deutschland, und Kuntze ließ drei junge Katholiken bei sich übernachten. Sie redeten, naheliegend, über Gott und die Welt, Rotwein löste die Zunge. Was Kuntze überraschte, war der Rollentausch: Die jungen Pilger kritisierten den deutschen Pontifex, und er, der katholische Atheist, verteidigte den Heiligen Vater. Dabei wurde Kuntze klar, was ihn in jungen Jahren geprägt hatte: der Glaube, wie er vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil gelebt wurde, ein Konzil, das 1965 beendet wurde. „Der Pfarrer stand mit dem Rücken zur Gemeinde und sprach die ganze Zeit Latein. Ich konnte zu wenig, um ihn zu verstehen.“ Dennoch ging Kunze die Weltanschauung hinter der Liturgie in Fleisch und Blut über. „Ich habe den jungen Leuten gesagt, Glaube muss stark sein, braucht feste Regeln, aber die jungen Leute haben mir widersprochen.“

Kuntze selbst war auf seiner dreivierteljährigen Pilgerreise ins Land des Glaubens keineswegs der Geist, der stets verneint. Dennoch hatte er eben kein Erweckungserlebnis. Kuntze schmerzt es wenig. „Für mich war das Projekt so etwas wie eine Pilgerreise: Für mich war nicht das Ziel wichtig. Für war es wichtig, unterwegs zu sein.“

Unterwegs sieht sich Kuntze immer noch. Demnächst geht er wieder auf die Reise nach innen – ohne Kamera.