Köln. . Die deutsch-afrikanische Sängerin Nneka hat ihre Karriere in einem Hamburger Heim begonnen. In den USA und Frankreich hat sie den Durchbruch bereits geschafft. Nun tritt sie an mit neuer Platte und einer Botschaft.
„Die Seele ist immer schwer“, sagt Nneka. „Sie muss auch schwer sein. Unsere Sinne sind ja stark.“ Wer sehen und hören kann, meint die deutsch-afrikanische Sängerin mit dem melancholischen Blick, der muss auch fühlen: die Unterdrückung, das Leid, die Sklaverei in der Welt.
„Soul is heavy“ hat Nneka ihr neues, drittes Album darum benannt, was doppeldeutig ist. Denn als Soul kann man vielleicht am ehesten ihr eigenwilliges Stilgemisch bezeichnen. Hip-Hop ist dabei, Reggae und Afropop, Sehnsucht und Wut. Ein Sammelsurium von Einflüssen, schwarz destilliert: von der europäischen Dance-Musik bis zur Ausbeutung der Menschen in ihrer Heimat, dem Niger-Delta.
Live-Auftritt bei Letterman
Lauryn Hill, Erykah Badu und Neneh Cherry – mit all diesen Ikonen wurde sie schon verglichen. Die 30-jährige Nneka Egbuna, die ihre Karriere in Hamburg startete, ist in Frankreich und den USA längst etabliert, Live-Auftritt in David Lettermans Talkshow inklusive. Auch in Deutschland spielt sie auf den großen Festivals, läuft die neue Single „My Home“ im Radio, aber der große Durchbruch ist bisher ausgeblieben. Dieses freundlich-distanzierte Verhältnis beruht auf Gegenseitigkeit, so ganz ist Nneka nie heimisch geworden in Deutschland.
Gerade 18 verließ sie Warri, ihren Heimatort im Nigerdelta, eines dieser Erdölkampfgebiete, in dem internationale Konzerne, Stämme, Gangster und korrupte Politiker so viel Schaden anrichten. Ließ auch ihren Vater hinter sich, einen Architekten und Geflügelfarmer. „Ich musste fliehen aus persönlichen Gründen, über die ich hier nicht sprechen kann“, sagt sie. Eine gute Schülerin sei sie gewesen, wollte BWL studieren in Nigeria. Aber das war nur der pragmatische Ansatz. Tatsächlich hatte Nneka nie einen konkreten Plan, aber immer ein großes Engagement. „Ich habe immer von einem besseren Leben geträumt, aber nie für mich selbst.“
Streng ist sie aufgewachsen, Strenge erlegte sie sich selber auf. „Mein Vater war nicht sehr religiös, ich dagegen war zeitweise sehr christlich. Fast fundamentalistisch. Erst als ich viel gereist bin, wurde ich relaxter, sanfter, habe mich auch mit Buddhismus beschäftigt und solchen Sachen.“
Melancholie wird zu Talent
Nnekas Mutter ist Deutsche, lebte aber schon damals getrennt von der Familie in Afrika. Und plötzlich fand Nneka sich in Hamburg wieder, allein und in einem Heim. In einer Wohngemeinschaft mit Asylbewerbern, Drogenabhängigen, Menschen mit psychologischen Probleme lebte sie. Und die Musik war „wie Medizin für diese Menschen“, vor allem für die afrikanischen Jungs. „Sie formten ihren Schmerz und ihre Melancholie zu Talent.“ Nneka rappte mit, als einziges Mädchen.
„Ich wollte nie Musikerin werden, singen gehörte auch in Afrika nicht zu meinem täglichen Leben. Aber ich hatte immer den Rhythmus.“ Wie sie in das Musikgeschäft reinrutschte, versteht Nneka bis heute nicht ganz, es hat viel mit Personen zu tun, vor allem mit dem Hamburger DJ Farhot, der noch heute als Produzent ihre Musik arrangiert. Auch mit Patrice, Seeed und Lenny Kravitz, die sie unterstützten. Zunächst aber war Nneka zwei Jahre lang überwältigt von diesem Deutschland, von dieser anderen Art sich zu kleiden, zu essen, zu denken und zu fühlen. „Ich musste lernen, mich zu verändern“, sagt die Frau mit den widerspenstigen Locken. „Es war ein Leben nach Gespür.“
Diese Intuition ist die Triebfeder ihrer Musik, die ganz und gar Ausfluss ihrer persönlichen Vorlieben ist – und ihrer Überzeugungen: gegen Korruption, Armut, Phantasielosigkeit, für ein besseres, eigenständiges Afrika. Folgerichtig lebt die Musik-Aktivistin seit vier Jahren wieder in Nigeria. „Hier leben sie, wovon ich erzähle. Sie verstehen exakt, wo ich herkomme.“ Deutschland ist zum Arbeits-, und Urlaubsland geworden, aber die deutsche Erfahrung steckt tief in ihr. In Hamburg hat die Vielleserin Archäologie und Anthropolgie studiert, die Lehre vom Menschen. Mit diesem Blick will sie später die Geschichte Afrikas untersuchen. Genau genommen tut sie das aber auch schon heute.