Washington. . Troy Davis ist tot. Der Amerikaner wollte vor der umstrittenen Hinrichtung keine letzte Mahlzeit. Bis zuletzt hatten die Menschen gegen seinen Tod protestiert.

Er wollte keine letzte Mahlzeit. Und auch kein Beruhigungsmittel, bevor das tödliche Gift langsam in seine Vene drang. Troy Davis nutzte im Staatsgefängnis von Jackson im US-Bundesstaat Georgia die letzten Sekunden zu einem Appell. „Alles, was ich will ist, dass ihr diesen Fall genauer untersucht, damit ihr am Ende die Wahrheit seht.” Um 23.08 Uhr Ortszeit am Mittwochabend erklärten die Rechtsmediziner den 42-Jährigen für tot. Weltweiter Protest über eine der umstrittensten Hinrichtungen in Amerika war die Folge.

Dabei gab es erst noch Hoffnung im Lager derer, die alles andere als überzeugt davon sind, dass es Davis war, der im August 1989 den Polizisten Mark MacPhail auf dem Parkplatz einer Hamburger-Kette in Savannah erschossen haben soll. Zu den drei verschobenen Hinrichtungsterminen seit 2007 kam Mittwochabend unerwartet ein vierter dazu.

Der Oberste Gerichtshof in Washington hatte die für 19 Uhr Ortszeit angesetzte Exekution gestoppt und auf Drängen des Todeskandidaten erneut über einen Aufschub beraten. Es wäre der allerletzte Ausweg gewesen. Zuvor hatte der Oberste Gerichtshof Georgias das Angebot Davis’ abgewiesen, sich einem Lügendetektortest zu unterziehen.

Vor dem Staatsgefängnis in Jackson hatten Hunderte von Demonstranten ausgeharrt. In Sprechchören („Todesstrafe? Zur Hölle nein!“) forderten sie das endgültige Aussetzen des Todesurteils. Sie glaubten Davis, der die Tat noch in der Todeszelle bestritt („Ich hatte keine Waffe“). Sie stützten sich darauf, dass sieben von neun Zeugen aus dem Prozess von 1991 ihre belastenden Aussagen entweder komplett zurückgezogen oder korrigiert hatten. Sie betonten immer wieder, dass nie eine Tatwaffe, DNA-Spuren oder andere Indizien sichergestellt wurden, die eindeutig gegen Davis gesprochen hätten.

Ihr prominentester Kronzeuge war William S. Sessions, unter Präsident Ronald Reagan Direktor der Bundespolizei FBI. „Ernsthafte Fragen über die Schuld von Troy Davis, die sich aus Korrekturen mehrerer Zeugen, Vorwürfen gegen Einflussnahme der Polizei und einen Mangel an Beweisen ergeben, plagen nach wie vor die Legitimität dieses Urteils“, schrieb Sessions am Mittwoch in der Zeitung „Atlanta Journal-Constitution“.

Fernsehsender wie CNN übertrugen live, was sich am Mittwoch vor dem Justizgebäude in Jackson abspielte. Hunderte Polizisten in Kampfmontur waren dort aufmarschiert – in der Annahme, es könnte Ausschreitungen geben. Es blieb ruhig und friedlich. Viele, die im Regen warteten, darunter die Familie von Troy Davis, zitierten Bibelsprüche, beteten oder sangen Lieder wie „Lean On Me“.

Der Oberste Gerichtshof in Washington lehnte das Ansinnen Davis’ auf Aufschub ohne Begründung ab. Die Henker von Jackson begannen gegen 23 Uhr Ortszeit mit der Arbeit. Nach 15 Minuten war die 34. Hinrichtung in Amerika in diesem Jahr vorüber. Journalisten, die wie Mitglieder der MacPhail-Familie zusehen durften, berichteten, dass Davis in den letzten Minuten ruhig und besonnen gewirkt habe. „Er bat um den Segen Gottes für jene, die ihm das Leben nahmen“, so ein Reporter, „und er sagte bis zum Schluss, dass er nicht der Mörder ist.“

Der Vatikan, Amnesty International, die Europäische Union, Vertreter etlicher Regierungen und Parteien warfen der US-Justiz gestern Versagen vor. Trotz erheblicher Zweifel an der Schuld und der Möglichkeit eines Justizirrtums, so der Tenor, sei eine nie wieder gut zu machende Entscheidung getroffen worden: Ein Mensch wurde getötet.