Essen.. Die ARD zeigt den zweiten „Polizeiruf 110“ mit Matthias Brandt am heutigen Freitag um 22 Uhr. Für die Verbannung auf den späteren Sendeplatz wurde der Jugendschutz bemüht. Die Entscheidung irritiert.
Am Montag räumt die Polizei eine Einkaufspassage in Hamburg, am Dienstag die Humboldt-Universität Berlin. Vor der Rede des türkischen Staatspräsidenten Abdullah Gül war eine anonyme Bombendrohung eingegangen. Genau wie am Tag zuvor in der Hansestadt an der Elbe. Zeitgleich ging in Ankara eine Bombe hoch. Menschen werden getötet. In der vergangen Woche explodierten kleinere Sprengkörper in drei Ikea-Filialen. Im Juli reißt ein Attentäter in der Osloer Innenstadt mehrere Menschen in den Tod. Momentaufnahmen real existierender Bedrohungsszenarien. Weltweit. Fast alltägliche Horrornachrichten.
Was liegt da näher, als den Terror ins Fernsehen zu bringen. Nicht als Dokumentation, sondern als Krimi. Der renommierte Regisseur Heins Steinbichler („Hierankl“) erzählt heute im „Polizeiruf 110 – Denn sie wissen nicht, was sie tun“ (ARD, 22 Uhr) die fiktive Geschichte eines Selbstmordattentäters, der in einem Münchner Tunnel eine Bombe zündet. Mit schrecklichen Folgen.
Von Kritik mit Applaus überschüttet
Steinbichler liefert einen außergewöhnlichen Film ab, einen intelligenten Krimi mit einem Matthias Brandt in der Rolle des Hauptkommissars Hanns von Meuffels, der so intensiv spielt, dass es beim Betrachten fast körperlich weh tut. Nach einem opulenten und rasanten Einstieg reduziert Steinbichler die Geschichte um einen religiös motivierten Täter auf ein Kammerspiel im Tunnel – mit immer wieder überraschenden Perspektiven.
Von der Kritik wurde der vorab beim Münchner Filmfest gezeigte Polizeiruf mit Applaus überschüttet und gelobt. Nur der für die Sendung verantwortliche Bayerische Rundfunk wollte sich nicht stolz dem Lobgesang anschließen. Die Jugendschutzbeauftragte des Senders, Sabine Mader, hatte die „Vielzahl von schrecklichen Bildern und die durchgängig gehaltene Spannung, durch die Angst vor einem weiteren Anschlag“ geschürt werde, angemoppert. Zudem beklagte sie, dass der Film „durch die Sicht auf einen hilflosen Staat die Entwicklung Jugendlicher gefährde“. Okay, Landeskriminalamt und Politiker kommen in Steinbichlers Geschichte nicht gut weg. Allerdings wird hier nicht bösartig karikiert. Steinbichler zeigt Politiker, die von einer vermeintlichen Sicherheit faseln, die sich als die einzig Wissenden aufspielen und fundamental falsche Entscheidungen treffen. Diese Sicht auf Dinge zu kritisieren, grenzt nicht nur an Zensur einer öffentlich-rechtlichen Jugendschutzbeauftragten.
Falsche Einschätzung
Einem Krimi darüber hinaus vorzuwerfen, er erzeuge eine durchgängige Spannung, klingt geradezu absurd. In jedem „Tatort“, in jedem „Polizeiruf“ wird gemordet, zum Teil mit bestialischen Bildern dekoriert. Das ist Genre-typisch. Bleibt nur zu hoffen, dass Sabine Mader mit ihrer irritierenden Einschätzung in Zukunft nicht noch weitere Krimis aus der Prime-Time um 20.15 Uhr verbannen darf. Sie sollte sich den Satz, den Steinbichler vielleicht in weiser Voraussicht seinem Protagonisten zuschrieb, zu Herzen nehmen: „Nur wo das Hirn regiert, reagiert die Gelassenheit.“