Essen/Nürnberg. . Eine 46-jährige Frau aus dem Raum Nürnberg wurde jahrzehntelang von ihrem Vater missbraucht. Er zeugte mit ihr drei behinderte Kinder. Der Mann sitzt in U-Haft. Der Fall kippte nur durch Zufall auf.
Es ist einer dieser Fälle, die man hört und die man zunächst nicht glauben kann. Ein 69-Jähriger aus Bayern wird beschuldigt, seine Tochter 34 Jahre lang vergewaltigt zu haben. Dabei soll er drei behinderte Kinder gezeugt haben.
Nun ist es vorbei, dieses Martyrium. Seit März bereits sitzt der Verdächtige in Untersuchungshaft. Doch erst jetzt ist die Staatsanwaltschaft in Nürnberg an die Öffentlichkeit gegangen. Weil sie nun genug habe für eine Anklageerhebung, sagt die zuständige Oberstaatsanwältin Antje Gabriels-Gorsolke. 497 Fälle von Vergewaltigung hat sie zusammengetragen. Alle aus den vergangen 20 Jahren. „Was davor war, ist verjährt.“
Behinderte Kinder
Vieles war davor. Denn begonnen hat den Leidensweg der heute 46-jährigen, als sie noch ein Kind war. Das erste Mal, so die Ermittlungen, habe der Vater seine Tochter als Zwölfjährige zum Sex gezwungen. Mit Schlägen soll er sie gefügig gemacht haben, bevor er über sie her fiel.
Mehrmals wöchentlich soll es laut Staatsanwaltschaft seitdem zu sexuellen Übergriffen gekommen sein. Mal im elterlichen Schlafzimmer, oft auch im Kinderzimmer und nachdem die junge Frau den Führerschein gemacht hatte, soll sie ihr Vater darüber hinaus mehrfach gezwungen haben, mit ihm an entlegene Stellen im Wald zu fahren, um sie auf dem Rücksitz des Autos zu missbrauchen.
Die Übergriffe bleiben nicht folgenlos. Dreimal wird das Opfer als Erwachsene schwanger. Die Kinder, Jungen, kommen alle behindert zur Welt. Zwei von ihnen sterben früh.
Die Frau ist nach bisherigen Erkenntnissen nicht eingeschlossen, nicht weggesteckt worden. Trotzdem hat das Opfer weder als Kind noch als Teenager oder Frau versucht zu fliehen oder sich jemandem anzuvertrauen. Im Gegenteil. Bis zuletzt habe sie im elterlichen Haushalt gelebt, heißt es.
„Schwer nachvollziehbar“ nennen selbst Ermittler das Verhalten des Opfers. Aber es sei der Frau offenbar nicht gelungen, sich ihrem autoritären Vater zu entziehen, sagt Gabriels-Gorsolke. Ob beim Einkaufen oder während der Autofahrten: Ständig habe der Angeklagte seine Tochter begleitet, habe sie kontrolliert und mögliche soziale Kontakte im Keim erstickt.
Bis seine Tochter selbst kriminell wird. Als sie die Ehefrau eines Arztes erpressen will, den sie für die Behinderung eines ihrer Kinder verantwortlich macht, wird sie zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Bei den Treffen mit ihrer Bewährungshelferin muss der Vater vor der Tür bleiben, verliert die Kontrolle. Und irgendwann vertraut sich seine Tochter der Justiz an. Wenig später wird der 69-Jährige fest genommen und sitzt seitdem in U-Haft. Sexuelle Kontakte zu seinem Kind hat er mittlerweile eingeräumt, nennt sie aber „einvernehmlich“.
Mutter nicht angeklagt
Im Zuge der Ermittlungen war auch die Mutter der 46-Jährigen ins Visier der Justiz gekommen. Sie soll einige Übergriffe mitbekommen haben. „Aber diese Taten liegen so weit zurück, dass sie verjährt sind“, sagt Gabriels-Gorsolke. Das Verfahren gegen die Frau sei deshalb eingestellt worden.
Der jetzt aufgedeckte Fall erinnert viele an den Prozess gegen Josef Fritzl, der 2008 weltweit Aufsehen erregte. Der Österreicher hatte seine Tochter 24 Jahre lang in einem Keller gefangen gehalten und sie ungezählte Male vergewaltigt. Dabei zeugte er mit ihr sieben Kinder.
Auch in Koblenz verurteilte das Landgericht erst im Frühjahr dieses Jahres einen Mann, der seine Tochter, eine Stieftochter und deren Zwillingsbruder jahrzehntelang missbraucht und mit den Mädchen mehrere Kinder gezeugt hatte.