Berlin. . Beim Freizeitverhalten der Deutschen zählen Fernsehen und Telefonieren zu den Lieblingsbeschäftigungen. Gartenarbeit, Radfahren oder womöglich Bücher lesen scheint nicht mehr zeitgemäß.
Die Deutschen quasseln, bis ihnen die Ohren bluten: „Telefonieren“ taucht in der neuen Freizeitstudie der Hamburger Stiftung für Zukunftsfragen zweimal unter den zehn beliebtesten Beschäftigungen der Deutschen auf. Logisch: Endlostelefonate sind im Flatrate-Zeitalter ein nahezu kostenloses Vergnügen – und dank Handyschwemme permanent möglich.
Beine hoch, Glotze an: Noch immer ist Fernsehen das liebste Hobby der Deutschen. Das geht nun schon seit 25 Jahren so. Doch zum ersten Mal landet das Telefon in der aktuellen Umfrage jetzt direkt hinter der Flimmerkiste. Handygespräche von unterwegs kamen nach „Ausschlafen“ immerhin auf Platz zehn. Damit hat das Telefon als Freizeitbegleiter Radio und Zeitung deutlich überholt.
In den 60er Jahren ging
man ins Theater
Vor 50 Jahren wäre das undenkbar gewesen: In einer Allensbach-Umfrage von 1957 gaben die Deutschen ganz andere Feierabendvergnügen an: Zeitung lesen auf Platz eins, gefolgt von Gartenarbeit, Einkaufen, Reparaturen am Haus, mit den Kindern spielen und – besonders kostengünstig! – aus dem Fenster gucken.
1963 dann geben sich die Deutschen in einer neuen Umfrage kulturbeflissen: Auf Platz eins landen Theater- und Konzertbesuche, unter den Top Ten tauchen aber auch die Teilnahme am Vereinsleben und an der kirchlichen Gemeindearbeit auf. Heute dagegen bringt nur jeder zehnte Zeit für ehrenamtliches Engagement mit. Und nur 17 Prozent der Deutschen besuchen wenigstens einmal im Monat einen Gottesdienst. Typisch für die Aufbruchstimmung der 60er Jahre wiederum ist auch Platz zehn: „seine Allgemeinbildung verbessern“.
Mitte der 80er entdeckten die Deutschen den Sport – kurzfristig
Müde klingen die Deutschen dann Mitte der 70er Jahre. In einer Emnid-Umfrage landen drei Ruhewünsche unter den zehn liebsten Freizeitbeschäftigungen: „Sich ausruhen, ohne etwas zu tun“, „Mittagsschlaf“ und „Gründlich durchschlafen“. In der gleichen Umfrage taucht allerdings auch der Hausputz unter den Top Ten auf – kein Wunder, dass bei einem so weiten Freizeitbegriff die Erschöpfung groß ist.
Mitte der Achtziger heben die Deutschen dann für kurze Zeit den Sport in die Bestenliste – wenn auch nur auf Platz zehn. Boris Becker gewinnt Wimbledon, körperliche Fitness wird scheinbar zum Maß aller Dinge – doch auch jetzt bleibt die Mehrheit der Deutschen Bewegungsmuffel. In der aktuellen Umfrage von 2010 geben die Bundesbürger offen zu, dass nur jeder dritte von ihnen einmal in der Woche Sport treibt.
Die Hamburger Forscher haben insgesamt über 6 000 Bundesbürger zu ihrem Freizeitverhalten befragt – wollten aber auch wissen, was die Mehrheit der Deutschen niemals macht. Auf Platz eins: Golfen. Unbeliebt oder unbezahlbar ist auch Platz drei: Knapp 80 Prozent der Befragten spielen kein Instrument und singen auch nicht im Chor. Ebenfalls auf die Liste der unüblichsten Freizeitbeschäftigungen landeten das Engagement in einer Bürgerinitiative oder einem Ehrenamt, genauso wie Handarbeiten, Stammtischrunden oder der Besuch von Rockkonzerten.
Mehr Sex, keine Briefe
Warum die Deutschen in den vier Jahren seit der letzten Umfrage wieder mehr Sex hatten, konnten die Forscher nur feststellen, aber nicht erklären. Unwahrscheinlich, dass dahinter ein neuer Trend zu mehr Romantik steckt: Die Zahl der Briefeschreiber geht schließlich ungerührt weiter zurück. Griffen 2007 noch sieben Prozent der Deutschen mindestens einmal pro Woche zu Füller und Briefmarke, waren es 2010 nur noch drei Prozent. Jeder zweite schreibt stattdessen regelmäßig E-Mails.
Leichte Unterschiede gibt es nicht nur zwischen Stadt und Land – vor allem was Gartenarbeit, Haustiere und Kuchen essen(!) angeht. Auch Männer und Frauen unterscheiden sich nach wie vor in ihrem Feierabendprogramm: Die größten Unterschiede liegen beim Bücher lesen, Kreuzwort-Rätseln und bei der Körperpflege – das alles ist der Studie zu Folge eher Frauensache. Männer dagegen verbringen lieber Zeit am Computer, sehen Filme oder hören Musik. Und: Sie haben nach eigenen Angaben deutlich häufiger Sex als Frauen: „Fragt sich nur, mit wem?“ fragt sich Studienleiter Ulrich Reinhardt verwundert.