Schwangau/Recklinghausen. . Horror-Fahrt mit einer Gondel: Nach dem Sturz eines Gleitfallschirms in das Tragseil der Seilbahn war diese lahmgelegt. 17 Stunden mussten 20 Insassen auf ihre Rettung warten. Auch Reisende aus Recklinghausen saßen in der Gondel fest.

Die Rettung kommt im Morgengrauen. In einer dramatischen Bergungsaktion werden am frühen Samstagmorgen am Tegelberg im Allgäu 20 Menschen aus einer Seilbahngondel befreit und mit Hubschraubern ins Tal geflogen. 17 Stunden lang waren sie auf 1.500 Metern Höhe gefangen. Nach einer Stunde und 40 Minuten ist die Aktion beendet. Bergwacht-Sprecher Roland Ampenberger atmet auf: „Es sind alle wohlauf, es sind alle unverletzt.“ Die Bergbahn bleibt vorerst geschlossen.

Unter den 20 Menschen, die eine ganze Nacht in einer Seilbahn in Bayern verbringen mussten, waren auch sechs Touristen aus Nordrhein-Westfalen. Drei von ihnen stammten aus dem Kreis Recklinghausen, drei weitere aus dem Kreis Paderborn, teilte die Polizei in Kempten am Samstag mit.

Das Drama in Sichtweite zum Märchenschloss Neuschwanstein im Landkreis Ostallgäu hatte am Freitagmittag seinen Lauf genommen. Um kurz nach 13 Uhr war ein 54 Jahre alter Gleitschirmpilot bei einem sogenannten Tandemflug mit einem 35-jährigen Passagier aus München in das Tragseil der Tegelbergbahn gestürzt.

Diskussion um Unfallursache am Tegelberg

Über die Unfallursache streiten sich die Experten. Polizeisprecher Christian Owsinski spricht von einer „unerwartete Windböe“, die dem „sehr erfahrenen Piloten“ zum Verhängnis geworden sei. Dagegen erhebt der Geschäftsführer der Tegelbergbahn, Franz Bucher, am Samstagmorgen schwere Vorwürfe gegen den Gleitschirmpiloten. „Der Mann hat grob fahrlässig gehandelt“. Ein Überfliegen der Gondelseile sei streng verboten.

Der Pilot und sein Passagier wurden bei dem Absturz nur leicht verletzt und konnten rasch geborgen werden. Der Unfall bewirkte allerdings eine automatische Abschaltung der Seilbahn. In zwei Gondeln hingen zunächst 50 Menschen fest. Die 30 Personen aus der talseitigen „unteren“ Gondel konnten bis zum frühen Abend befreit werden. Außerdem wurden mit Hubschraubern über 130 Menschen, die an der Bergstation festsaßen, ins Tal gebracht.

Die 20 Personen in der bergseitigen Gondel mussten - mehrere hundert Meter über dem felsigem Abgrund - 17 Stunden auf ihre Rettung warten. Schwierige Winde und die einbrechende Dunkelheit verhinderten ihre Bergung am Freitagabend.

Eingesperrt in Gondel auf zwölf Quadratmetern

Die Kabine ist nach Angaben der Polizei nur rund 12 Quadratmeter groß. Die Eingeschlossenen stammen aus Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen, außerdem befanden sich zwei Touristen aus Osteuropa mit in der Gondel. Zuletzt hatten sich vier Männer der Bergwacht in einer waghalsigen Aktion 300 Meter weit über das Stahlseil an die Gondel herangehangelt und waren ebenfalls zugestiegen. Sie brachten Decken, Verpflegung und aufmunternde Worte zu den in der Gondel Gefangenen. „Das war kein ganz leichter Einsatz“, sagte Bergwacht-Sprecher Ampenberger im Anschluss.

Trotz der Enge ging es den Eingeschlossenen offenbar gut. Es gab eine Funkverbindung ins Tal. Ralf Kinkel vom Landratsamt in Marktoberdorf konnte am frühen Morgen erleichtert berichten: „Den Leuten geht es körperlich und mental sehr, sehr gut - natürlich den Umständen entsprechend.“

Um 6 Uhr morgens, mit Beginn der Dämmerung, begann die Bergungsaktion. Zwei Polizeihubschrauber arbeiteten im Pendelverkehr. Paarweise wurden die Menschen aus der Gondel gezogen und ins Tal geflogen. Nach der Landung auf einem Sportplatz konnten alle Geretteten alle auf eigenen Füßen aus den Hubschraubern klettern.

Sie hatten weiße Overalls an, die sie in der Nacht vor Kälte schützen sollten. Rettungskräfte brachten sie zu Versorgungszelten. Hier warteten die Angehörigen und eine heiße Tasse Tee. Polizeisprecher Owsinski war einer der ersten, der den Geretteten begegnete. Sein Eindruck: „Ich habe nur in strahlende Gesichter geblickt.“

Tegelbergbahn bleibt vorerst geschlossen

Nun muss die Anlage erst einmal auf mögliche Schäden überprüft werden. Daher bleibt die Bergbahn vorerst geschlossen, wie der Geschäftsführer der Bergbahn, Franz Bucher, am Samstag mitteilte. Die Prüfung werde mehrere Tage dauern. Sollte das Stahlseil ausgewechselt werden müssen, drohe der Bahn ein Stillstand von bis zu zwei Monaten.