„Wenn ich heirate, dann mit allen Konsequenzen“, sagt Dirk Gradtke (46) bestimmt. Vor rund einem Jahr war es bei ihm so weit: Der alte Ratssaal war bis auf den letzten Platz mit Freunden und Familie belegt, die das glückliche Paar bei diesem wichtigen Schritt begleiten wollten. Die Standesbeamtin hielt eine bewegende Ansprache, goldene Ringe wurden getauscht und Blumensträuße unter strahlend blauem Himmel überreicht. Sie haben sich ein-ander den Bund fürs Leben versprochen – und doch sind sie kein Ehepaar: Für Dirk und Dieter Gradtke gibt es nur die Rechtsform einer eingetragenen Lebenspartnerschaft.

Dirk und Dieter Gradtke sind seit fünf Jahren zusammen – es war Liebe auf den ersten Blick. Kennengelernt haben sie sich, als Dirk von seinem Wohnort in Spanien aus für ein paar Tage seine Eltern in Bochum besuchte. „Eigentlich habe ich zu der Zeit gedacht, dass ich mit niemandem mehr eine Beziehung anfangen wollte“, erzählt er, „Doch als ich Dieter kennenlernte, wusste ich sofort, dass ich mit ihm zusammenbleiben wollte.“

Einige halten sie immer
noch für Brüder

Schon am zweiten Tag flog er zurück nach Barcelona – doch nur, um dort die Zelte abzubrechen. Er gab seine Werbeagentur auf, tauschte Mittelmeer gegen die Ruhr und suchte sich eine Stelle in Essen. „Seitdem waren wir eigentlich nie wieder getrennt“, erzählt Dieter Gradtke. Nur wenige Zeit später machten sie sich gemeinsam selbstständig und übernahmen eine Lotto-Annahmestelle in Essen.

Auch wenn sie aus ihrer Beziehung kein Geheimnis machen, halten einige ihrer Kunden sie bis heute für Brüder. „Wir sind vielleicht nicht das typische Schwulen-Paar“, glaubt Dirk Gradtke, da sie sich beide auch nicht besonders „blumig“ gäben. Auch bei ihrer Hochzeit „haben wir keine Klischees befriedigt“, wie Dirk erzählt, der die Planung übernahm: Keine romantische Foto-Session, keine Hochzeitstorte, keine Spiele oder gar Travestie-Auftritte. „Och, ich hätte mich darüber gefreut“, wirft Dieter grinsend ein. Die beiden Männer trugen auch nicht etwa die gleichen Anzüge „Wir hatten nur die gleiche Krawatte“, erzählt Dirk.

„Es war eine Liebesheirat“, sagt er, „aber wir wollten uns damit auch absichern.“ Erst kürzlich musste ein befreundetes schwules Pärchen eine bittere Erfahrung machen: Wenn einer der Partner nach einem Unfall im Krankenhaus liegt, ist es ohne Trauschein nicht möglich, Auskunft über dessen Zustand zu bekommen. „Dabei sind die beiden schon seit 17 Jahren zusammen!“

Zusätzlich hätten sie sich auch gern steuerliche Vorteile von ihrer Hochzeit versprochen, „aber das war wohl ein Schuss in den Ofen“, sagt Dieter und lacht bitter. „Vor dem Grundgesetz sind wir gleichberechtigt, aber für das Finanzamt sind wir Singles, existieren gar nicht als Paar“, regt sich Dirk auf. „Eine Unverschämtheit. Wir leben und arbeiten zusammen, aber zahlen jeden Monat 600 Euro mehr Steuern als heterosexuelle Ehepaare.“

Doch von ihrem Umfeld fühlen sie sich voll als verheiratetes Paar akzeptiert. Erst im November sind sie mit ihrem Hund Emma in ein hübsches Haus mit Garten nach Essen-Bergerhausen umgezogen. „Ich hatte erst Bedenken, in so eine Siedlung zu ziehen“, räumt Dirk ein. „Aber ganz im Gegenteil. Es hat sich sofort herumgesprochen: Hier leben zwei Homosexuelle, und die Nachbarn sind total freundlich.“

Auch sonst hätten die beiden wegen ihrer sexuellen Ausrichtung noch nie Probleme gehabt. Nur manchmal nervt es den 41-jährigen Dieter, wenn er, etwa auf Partys, immer wieder auf seine Homosexualität angesprochen wird. „Allein, dass es so herausgestellt wird“, findet er. „Normal wird es erst dann, wenn keiner mehr darüber redet.“

Und das wird, da sind sie sich sicher, noch dauern – wenn überhaupt.