Shanghai. . Die 29-jährige Janine Pietsch war eine der besten Schwimmerinnen der Welt. Im Alter von gerade mal 26 Jahren kam dann ein schwerer Schlag: die Diagnose Brustkrebs. Aber sie kämpft.

Die Sport-Welt blickt in dieser Woche nach Shanghai, wo die besten Schwimmer bei der WM um die Medaillen kämpfen. Elf Flugstunden entfernt schaut sich in Ingolstadt eine junge Frau mit gefärbten schwarzen Haaren das Spektakel vor dem Fernseher an. Die deutsche Nationalmannschaft hätte die 1,86 Meter große Frau in China gut gebrauchen können, denn Janine Pietsch war eine der besten Schwimmerinnen der Welt. Sie hielt Weltrekorde und holte 2006 zwei Weltmeistertitel über 50 und 100 Meter Rücken. In Shanghai.

„Klar, wenn das Schicksal es nicht anders gewollt hätte, wäre ich jetzt dabei“, sagt die 29-Jährige. Sie glaubt an die Vorbestimmung. Deshalb hat sie sich auch das Wort „Schicksal“ in chinesischen Schriftzeichen als Tattoo in den Nacken stechen lassen. Die Frau, die nicht nur wegen ihrer Größe und ihrer pechschwarzen Haare aus der Anonymität der Masse heraussticht, hat selbst kein leichtes Schicksal zu meistern. Vor zweieinhalb Jahren erkrankte sie an Brustkrebs. Mit 26. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere.

Janine Pietsch hatte beim Duschen einen Knoten in ihrer Brust gespürt. Als sie ihre Frauenärztin zur Mammographie schickte, machte sie sich keine Sorgen. Das wird eine Scheuerstelle vom Badeanzug sein, dachte sie. Aber als die Ärzte dann bei der Untersuchung tuschelten, überfiel sie das erste unsichere Gefühl. Nein, das kann nicht sein, beruhigte sie sich. Ich doch nicht. Ich bin doch Leistungssportlerin. „Nach der Diagnose bin ich in ein schwarzes Loch gefallen“, erinnert sie sich, „es war eine völlige Leere in mir.“

Aber dann erinnerte sie sich an die Strategien, die sie im Sport an die Weltspitze geführt hatten. Von Wettkampf zu Wettkampf denken. Das Ziel nicht aus den Augen verlieren. „Die Operation, die Chemo-Therapien waren meine Wettkämpfe“, sagt sie, „ich habe wie im Sport gekämpft.“ Der Kampf ist noch nicht gewonnen, auch wenn ihre Heilungschancen gut stehen. Am schlimmsten war es, als ihre Mutter an Gebärmutterhals-Krebs erkrankte. Das sei viel bitterer gewesen, erzählt Janine Pietsch, weil sie selbst nicht helfen konnte. Inzwischen richten sich Mutter und Tochter gegenseitig auf, sie gehen gemeinsam zu Kontrolluntersuchungen – und feiern die guten Test-Ergebnisse mit einem Gläschen Sekt. So wie früher Rekorde und Medaillen.

Janine Pietsch geht offen mit ihrer Krebserkrankung um. Ihr Beispiel soll anderen Mut machen, ihre Prominenz soll Türen und Ohren öffnen. Sie bemüht sich um bessere Aufklärung. Junge Frauen seien viel zu wenig informiert über die Tücken der Krankheit und über die Notwendigkeit frühzeitiger Tests, kritisiert sie. Für ihr Engagement erhielt sie den Bayerischen Sportpreis. Die Laudatio hielt Campino. Den Sänger der Toten Hosen, dessen Vater und Mutter an Krebs gestorben sind, lernte sie 2004 bei den Olympischen Spielen in Athen kennen. Seitdem sind die beiden befreundet. „Du bist eine Kampfsau, du bist stark, das kriegst du hin“, sagte er zu ihr. Kein Wunder, dass ihr Lieblingslied von den Toten Hosen kommt: „Steh’ auf, wenn du am Boden bist“.

Comeback abgebrochen

Der Titel ist für sie Programm. Janine Pietsch fühlt sich besser denn je, auch wenn sie den Comeback-Versuch als Schwimmerin wegen der Auswirkungen der Chemo abbrechen musste. Die gelernte Bürokauffrau würde ihre Erfahrungen gern als Motivationstrainerin für große Firmen weitergeben. Noch sind es nur Pläne, aber Janine Pietsch wird sie weiter verfolgen. Sie hat gelernt nicht aufzugeben. Nicht nur im Sport. Dass sie jetzt in Shanghai nicht dabei ist, das schmerzt sie nicht mehr wirklich: „Ich habe bisher jeden Wettkampf gewonnen. Ich lebe ja.“

Zur Person: Janine Pietsch ist gebürtige Berlinerin, lebt aber schon seit einigen Jahren in Ingolstadt. Bereits mit 15 Jahren wurde die Junioren-Europameisterin mit der Staffel. Jahrelang gehörte sie zur deutschen Schwimm-Nationalmannschaft. 2004 nahm sie an den Olympischen Spielen in Athen teil, erreichte aber nicht das Finale. Ihre größten Erfolge feierte sie 2005 und 2006, als sie einen Weltrekord über 50 Meter Rücken aufstellte und zwei Goldmedaillen bei der Kurzbahn-EM in Shanghai gewann.